Zurück in die 70er-Jahre. Im dem Buch „Disco, Willy & Flokati“ bitten WAZ-Leser zu einer ganz besonderen Zeitreise.

Sie sind schon lange vorbei, aber längst nicht vergessen. Im Gegenteil. Wer 50 Jahre oder älter ist, der erinnert sich immer noch gut an die 70er Jahre. Weil sie bunt waren. Weil sie aufregend waren – und weil sie hielten, was die späten 60er versprochen hatten. Das war allerdings auch nicht schwierig, nach den biederen Jahrzehnten zuvor. Nun aber kam die Zeit des Aufbruchs. Überall in Deutschland, ganz besonders aber im Ruhrgebiet. „Disco, Willy & Flokati“ heißt das gerade im Klartext-Verlag erschienene Buch, das noch einmal zurückblickt auf ein Jahrzehnt, in dem sich das Revier veränderte wie selten zuvor.

Chronik mit Titelseiten der Zeitung

Es gibt eine – zum Teil mit Titelseiten der WAZ illustrierte - Chronik, die damit beginnt, dass Paul McCartney am 10. April 1970 eher beiläufig des Ende der Beatles bekannt gibt. Und die damit endet, dass am 16. September 1979 zwei Familien aus der DDR mit einem selbst gebauten Heißluftballon in den Westen geflüchtet sind. Zwischendurch geht es gleichermaßen um die erste McDonalds Filiale, die Guillaume-Affäre, den Tod von Elvis Presley und den Terror der RAF.

Man blättert gerne durch diese Seiten, aber sie sind nicht einmal das Herzstück dieser Zeitreise. Es sind auch nicht die Hitlisten („Die besten 70 Kicker im Revier“, „Die wichtigsten Filme der 70er Jahre“), die die Herausgeber Ulrich Homann und Achim Nöllenheidt für die einzelnen Kapitel zusammengestellt haben und über die man so wunderbar diskutieren und streiten kann. Es sind die Beiträge der WAZ-Leser, die dieses Buch so lesenswert machen.

Denn viele Leser sind dem Aufruf der WAZ gefolgt und haben ihre Erinnerungen an die 70er-Jahre niedergeschrieben. Mal ganz kurz, mal in aller Ausführlichkeit, meistens angesiedelt irgendwo zwischen großer Geschichte und kleinen Geschichtchen. Jugend im Pott, die erste Arbeitsstelle, Abenteuer auf dem Bolzplatz, Erinnerungen an die gute alte Telefonzelle, der schönste Urlaub, das tollste Konzert – kaum ein Lebensbereich, der nicht zumindest gestreift wird auf diesen 176 Seiten.

Fahrprüfung ohne eine einzige Ampel

Da erzählt die eine von ihrer Fahrprüfung, bei der alle Ampeln ausgefallen waren, eine andere erinnert an Begegnungen mit Herbert Grönemeyer, Dieter Krebs oder Marie-Luise Marjan. Später Film-, TV- oder Musikstars sind sie in den frühen 70ern alle Mimen am Bochumer Schauspielhaus – und mittendrin im alltäglichen Leben des Ruhrgebietes.

Und wer all die Geschichten liest und im „richtigen“ Alter ist, der findet sich in fast jeder Erzählung wieder. Denn vieles ist damals ähnlich – egal, ob man in Duisburg oder Dortmund wohnt. „Drei Ecken – ein Elfer“ etwa, dieses Gesetz der Bolzplätze ist überall gültig – selbst an der Rändern des Reviers, im Sauer- oder Münsterland oder am Niederrhein. Und so ertappt man sich immer wieder dabei, dass man beim Lesen denkt: „Jawoll, so war das.“

Fotos, die so ähnlich jeder kennt

Was für den Text gilt, gilt noch mehr für die Bilder, die im Buch abgedruckt sind. Ja, es gibt die bekannten Fotos. Gerd Müller und Wolfgang Overath nach dem Fußball-WM-Sieg 1974 oder Willy Brandts Kniefall in Warschau. Aber es gibt auch viele Amateuraufnahmen, für die die Leser ihre privaten Alben geöffnet und durchstöbert haben. Man kennt sie nicht, die Menschen, die auf diesen oft typisch rotstichigen Fotos zu sehen sind. Aber man kennt die Situationen, in denen sie entstanden sind, hat in ähnlich psychedelisch tapezierten Zimmern gelebt – und auch so schlimme Hosen und Frisuren getragen.

„Disco, Willy & Flokati“ ist ein sehr persönliches Buch geworden. Und eines, das zeigt wie viel sich verändert hat im Ruhrgebiet. Nur eines ist geblieben: der Stau auf der A 40.

Hier gibt es das Buch online zu kaufen: Disco, Willy und Flokati: Erinnerungen an die 70er Jahre im Ruhrgebiet. Von Ulrich Homann, Achim Nöllenheidt

• Gebundene Ausgabe: 176 Seiten

• Verlag: Klartext, 16,95 Euro

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