Ruhrgebiet. Mit dem Temperaturen steigt die Zahl der Streitigkeiten in Freibädern. Oft können nur noch Sicherheitsdienste für Ordnung sorgen. Das kostet.

Man kann die Tage präzise kommen sehen, wann es nach Krawall riecht im Freibad: „Wochenende und mehr als 30 Grad“, sagt Timo Schirmer, der Betriebsleiter des Aquaparks in Oberhausen. „Alle kommen zugleich, stehen eine halbe Stunde Schlange in der prallen Sonne und haben schon den Kaffee auf, bevor sie drin sind.“ So wie am Sonntag. Was tun?

In Düsseldorf eskalierte die Situation am Wochenende. Die Polizei war im Großeinsatz
In Düsseldorf eskalierte die Situation am Wochenende. Die Polizei war im Großeinsatz © dpa | Gerhard Berger

Kaltes Wasser haben die Mitarbeiter an die Wartenden verteilt, Sonnenschirme und -segel aufgestellt, Kindern Wasserbälle in die Händchen gedrückt und einen Rasensprenger platziert für die kleine Kühlung zwischendurch. Von Krawall im Aquapark hätte man dann auch nichts gehört.

„Alter, was willste?“

Doch es geht auch anders. Solche Meldungen scheinen sich zu häufen: Rheinbad in Düsseldorf schließt am Wochenende zweimal wegen Aufruhrs arabischstämmiger Jugendlicher. Im Oststadtbad in Essen attackiert eine Gruppe junger Männer letzte Woche zwei Schwimmmeister und ein junges Mädchen. Schlägerei mit 20 Beteiligten in Haltern, drei verletzt.

Der „Bundesverband Deutscher Schwimmmeister“ beklagt schon seit längerem zunehmende Aggressivität in Freibädern. „Das Wort ,Respekt’ hatte früher eine ganz andere Bedeutung als heute“, sagt sein Präsident Peter Harzheim. Jetzt bekomme man eher Sprüche zu hören wie „Alter, was willste?“ Dazu kämen kulturelle Unterschiede, etwa im Umgang mit Frauen.

Streit, Drängelei und Zurechtweisung

Und, eine Nummer kleiner, beschreibt etwa eine Mutter aus Essen eine allgemeine aggressive Stimmung am Beispiel eines Bades in Ratingen: Streit in der Warteschlange an der Pommes-Theke, Drängelei und Zurechtweisung; Schreierei und kühne Fahrmanöver von zwei Autofahrern, die auf den einen freien Parkplatz wollten. Doch ist das die ganze Erklärung? Zu heiß und zu voll und der Schwimmmeister eine traurige Gestalt?

Vor den Pommes-Ständen gibt es lange Schlangen. Auch das kann zu Streit führen
Vor den Pommes-Ständen gibt es lange Schlangen. Auch das kann zu Streit führen © Funke Foto Services | Lutz von Staegmann

Es gibt keine Zahlen zu der Frage, ob es im Freibad ruppiger zugeht als früher. Es gibt nur „Einschätzungen und Rückmeldungen“, sagt Christian Ochsenbauer, der Geschäftsführer der „Deutschen Gesellschaft für das Badewesen“ in Essen. Für ihn gehören Schwimmmeister wie Feuerwehrleute oder Kontrolleure zu „Personen, die in der Öffentlichkeit stehen und Regeln durchsetzen sollen. Der Respekt vor ihnen schwindet.“

Ochsenbauer fordert, dass „härter durchgegriffen werden muss.“ Doch auch dies ist ihm wichtig: „Freibäder sind weiterhin sichere, geschützte Räume.“ Trotz des Krawalls im Rheinbad müsse man bedenken, dass es „ohne Verletzte und Personenschäden abgegangen ist“.

Deeskalationstraining mit der Polizei

Wie unterschiedlich Wahrnehmung sein kann, zeigt sich am Beispiel des Freibades Gladbeck. Auf Facebook beschweren sich die einen über respektlose Jugendliche, die den Sprungturm belagern, über Menschen, die in Straßenkleidung ins Wasser gehen, über überforderte Schwimmmeister und desinteressierte Sicherheitsleute. Die anderen beschreiben das Bad als guten Ort zum Schwimmen – und die Angestellten machten ihre Arbeit gut. Dieter Nock vom Bad-Betreiber „Schwimmverein Gladbeck 13“ sagt es so: Bei einem Ansturm von mehr als 2000 Menschen könne nicht alles problemlos laufen. „Es ist nicht immer eitel Sonnenschein, was an einem solchen Tag in einem solch großen Bad passiert, aber das ist alltäglich und passiert in allen Bädern.“

Fest steht: Deeskalationstraining mit der Polizei gehört heute für viele Schwimmmeister dazu, also, aus einem Streit die Luft herauszulassen. „Nicht die Hände heben, lautes Wort wählen, klare Kante zeigen“, so beschreibt das Timo Schirmer vom Aquapark. Auch wichtig: Dass Sicherheitskräfte erkennbar sind und am besten zu zweit auftreten. „Badverweis passiert täglich, aber in der Regel gehen die Halbstarken dann auch.“ Dass es auch ganz anders geht, sagt Oktay Yildirim, ein Schwimmmeister im Herner Bad „Südpool“. Er kennt viele Badegäste beim Namen und lobt: „Das Zwischenmenschliche ist schön.“

Mehr Sicherheitskräfte in Dortmunder Bädern

Darauf allein wollen sich die Dortmunder Freibäder allerdings nicht verlassen. An den Wochenenden sollen Sicherheitskräfte dort künftig nicht mehr nur sporadisch, sondern regelmäßig eingesetzt werden, denn: „Die Vorfälle häufen sich in letzter Zeit“, sagt Michael Dominik, Geschäftsführer der Sportwelt Dortmund, die vier große Freibäder betreibt. Je nach Örtlichkeit, so Dominik, seien die Probleme „größer oder kleiner“. „Ab 30 Grad kommt eine ganz spezielle Klientel. Und der geht es nicht ums Schwimmen.“

Bei Temperaturen von über 30 Grad herrscht Hochbetrieb in den Freibädern.
Bei Temperaturen von über 30 Grad herrscht Hochbetrieb in den Freibädern. © dpa | Gregor Fischer

Immer mehr junge Familien oder Kinder würden deshalb – nicht nur in Dortmund - Freibäder mittlerweile meiden. „Das ist eine falsche Entwicklung.“ Sie zu stoppen ist aber nicht ganz einfach. Mögliche Problemfälle bereits am Eingang auszusortieren, sei kaum machbar, so der Geschäftsführer. „Natürlich ahnt man, wer Ärger machen könnte, aber zunächst einmal müssen wir jeden Besucher gleich behandeln.“

Eintrittspreise könnten steigen

Natürlich würden die Schwimmmeister eingreifen, wenn es dann Ärger auf der Liegewiese gebe. „Aber dafür sind sie eigentlich nicht da. Sie sind für die Sicherheit in und am Becken zuständig.“ Und jeder, der auf der Wiese gerade einen Streit schlichte, fehle dann am Wasser. „Wenn es voll ist, geht das nicht. Deshalb müssen wir spezielle Sicherheitskräfte einsetzen, die den Schwimmmeistern den Rücken frei halten.“ Das kostet natürlich. Über kurz oder lang könnte der Eintritt in die Dortmunder Freibäder daher steigen. „Wir müssen die Kosten umlegen“, bedauert Dominik, kann aber noch keine genauen Zahlen nennen.

Streitigkeiten, sagt er weiter, habe es natürlich auch früher schon gegeben. „Aber mittlerweile hat das eine ganz andere Qualität.“ Und die Streithähne sind kaum zu erreichen. „Wenn sie vor 20 Jahren 50 Leuten eine Ansage gemacht haben, haben 49 davon kapiert, um was es geht. Heute ist es anders herum.“