Ruhrgebiet. Etliche Schützenvereine haben in diesem Jahr Probleme damit, einen König zu finden. Sie versuchen, ihm das Amt zu erleichtern – auch mit Geld.

Da haben sie den Schützen auf deren eigenem Fest sozusagen die Pistole auf die Brust gesetzt. Schmallenberg-Lenne, am 18. Mai diesen Jahres; gegen 16.30 meldet sich der Vorstand über Lautsprecher erkennbar gereizt zu Wort: „Wenn sich jetzt niemand findet, der schießen möchte, wird das Ganze hier in einer halben Stunde abgesagt.“ Schützen ohne Schützenkönig? Im Sauerland? Wo leben wir denn eigentlich?

Die Geschichte geht aber nochmal gut aus: Benjamin Hoffmann hat sich spontan erbarmt. „Dass das Fest ausfallen sollte, konnte ich nicht hinnehmen,“ sagt der 30-Jährige. Den „Retter des Schützenfestes“ nennen sie ihn jetzt, aber das Problem geht über Lenne hinaus: Es wird für Vereine zusehends schwieriger, ihren Retter zu finden.

„Wir waren alle selbst schön König, und die Jugend fehlt“

Beispiele sind schnell gefunden. Dinslaken, Voerde, Duisburg, Gelsenkirchen. Bei der „Schützengilde Gelsenkirchen“ sagt der Vorsitzende Klaus Stoffel (67): „Wir waren alle selbst schon König, und die Jugend fehlt.“ Bei dem Verein werden Kette und Krone nun weggeschlossen, bis „sich neue, junge Königsanwärter melden“. Klingt ein bisschen wie im Märchen.

Beim „Bürgerschützenverein Dinslaken“ gibt es bereits zum dritten Mal keinen König. „Es ist schon traurig, wenn man als amtierender König die Amtskette nicht an einen Nachfolger übergeben kann“, sagt Daniel Attardo.

Die Pflichten übernimmt der geschäftsführende Vorstand

Gerd Kazmierczak und Karin Kleppek von der „Gelsenkirchener Schützengilde 1965“ mit der Vereinsfahne im Vereinsheim.
Gerd Kazmierczak und Karin Kleppek von der „Gelsenkirchener Schützengilde 1965“ mit der Vereinsfahne im Vereinsheim. © Funke Foto Services GmbH | Olaf Ziegler

Stattdessen schossen auf dem Fest frühere Schützenkönige einen „Tageskönig“ aus: um den Vogel herunterzuholen, ohne dass jemand die Folgen zu tragen hat. Und um das Fest würdig zu beenden und nicht mit einer, sagen wir, Lautsprecherdurchsage. Die verwaisten Pflichten des nicht vorhandenen Schützenkönigs übernimmt – der geschäftsführende Vorstand.

Es gibt keine Zahlen zu dem Thema. Nur eine wachsende Berichterstattung auf lokaler Ebene. „Mündelheimer Schützenfest endet ohne König.“ Die Gründe sind in den jeweiligen Vereinen schnell benannt: vier- bis fünfstellige Kosten einer einjährigen Amtszeit. Viele Termine, die der König am Hals hat. Mitgliederschwund und fehlender Nachwuchs.

In Neuss gehört es zum guten Ton, den Schützenkönig zu stellen

Der „Westfälische Schützenbund“ etwa zählte um die Jahrtausendwende 110.000 Mitglieder, heute sind es rund 83.000, die aber stabil. Dass der König fehlt, „gibt es immer wieder mal“, sagt Geschäftsführer Jörg Jagener: „Einige Vereine haben ja auch ihren Fest-Rhythmus geändert. Nicht mehr jedes Jahr. Das mag mit mangelnder Bereitschaft zu tun haben, als König anzutreten.“ Einen Trend sieht er aber nicht.

„Das Problem ist örtlich sehr, sehr unterschiedlich“, sagt Christian Frommert, der Archivleiter des „Rheinischen Schützenmuseums“ in Neuss. Dort feiern sie das größte Schützenfest der Welt, dort gibt es immer drei, vier Kandidat, dort gehört es zum guten Ton in besseren Familien, einmal den Schützenkönig zu stellen. „Aber betroffene Vereine machen schon vieles, um jemanden zu finden“, sagt Frommert.

„Früher standen beim Umzug viele Menschen am Straßenrand“

Der Festumzug gehört zum Schützenfest wie der Schützenkönig – eigentlich.
Der Festumzug gehört zum Schützenfest wie der Schützenkönig – eigentlich. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Er weiß: In Korschenbroich etwa sammeln Vereinsmitglieder für ihren König und bitten Sponsoren, zu helfen. Ähnlich verhält sich der BSV Hamborn 1837: „Anders als bei anderen Vereinen, übernehmen wir alle Kosten für Musik und Co., die Könige müssen nur mal eine Runde schmeißen“, sagt der Ex-König Hermann Eschenbruch.

Und der Sprecher des BSV Alt-Walsum, Jan Krott, sagt: „Das Schützenwesen ist nicht mehr so angesagt. Früher standen beim Umzug viele Menschen am Straßenrand, heute gehen öfter mal die Rollos runter.“

In Voerde sind Frauen spontan eingesprungen

Ein paar Kilometer weiter nördlich, beim „BSV Vivat Löhnen“ in Voerde, halfen zuletzt zwei Frauen aus der Patsche. Eigentlich hatten Männer schießen sollen. „Irgendwie hatten die aber keine Lust, und da haben wir angefangen zu schießen“, sagt Regina Sarres. „Ich war schon ziemlich überrascht“, sagt Birgit Müller, die neue Schützenkönigin. Obwohl sie den Vogel abschoss, wird sich der Mann, den sie erwählt hat für repräsentative Auftritte, nicht etwa Prinzgemahl nennen oder – das gibt es auch – Prinzessinnenbegleiter. Sondern: Schützenkönig.