Bochum. „Mein Rollstuhl wird zum Risiko“, klagt eine Schwerbehinderte (78) in Bochum. Regelmäßig lösen sich die Rolli-Bremsen. Die Knappschaft reagiert.

Ein lautes „Klack“ – und die Rollstuhlbremse löst sich. Eigenständig. Immer wieder. Allein viermal während des gut halbstündigen WAZ-Gesprächs. „Lebensgefährlich“ sei das, sagt Ilse Dilger, vor allem wenn sie sich abends aus dem Rolli ins Pflegebett hievt. Seit zwei Jahren wartet die 78-Jährige vergeblich darauf, „endlich wieder sicher leben zu können“. Nach einer WAZ-Anfrage gibt’s nun Hoffnung: Neue Bremsen sind bestellt.

Seit über 25 Jahren leidet Ilse Dilger an einer beidseitigen schweren Kniearthrose. Seit 2012 ist die ehemalige Bibliotheks-Angestellte der Ruhr-Universität so schwer erkrankt, dass sie auf den Rollstuhl angewiesen ist. Mit Hilfe ihrer Tochter und eines Pflegedienstes führt sie ihren eigenen Haushalt am Gropiusweg in Querenburg.

Den Alltag meistert die rüstige Seniorin.

Nicht aber den Ärger mit ihrem Rolli.

Rollstuhl kann jederzeit wegrutschen

Alle drei bis vier Monate mache sich die Feststellbremse selbstständig, schildert Ilse Dilger. Ohne jedes Zutun löst sich dann regelmäßig der Bolzen vom Rad. Ein großes Risiko seien deshalb etwa das Zubettgehen oder der Toilettengang. „Der Rollstuhl könnte jederzeit unter mir wegrutschen und ich hinstürzen und mich verletzen.“

Mehrere Seiten umfasst der Schriftverkehr mit ihrer Krankenversicherung, der Knappschaft, und dem beauftragten Sanitätshaus in Gelsenkirchen. Zwar sei der Rolli inzwischen dreimal in der Reparatur gewesen. Aber dadurch habe sich das Problem „nur noch verschlimmert. Der Defekt mit den Bremsen trat immer wieder auf.“

Knappschaft sichert Austausch zu

Der Streit eskalierte im vergangenen April. „Ein Techniker des Sanitätshauses behauptete, es läge an den Luftreifen. Dabei sind die völlig in Ordnung. Weil ich den unsinnigen Reifentausch ablehnte, hieß es bei der Knappschaft, man könne mir nicht mehr helfen. Auch ein Ersatzrollstuhl wurde verweigert. Ein Brief an das Sanitätshaus blieb komplett unbeantwortet.“ Ilse Dilger ist verzweifelt. „Ich will doch nur einen sicheren Rollstuhl – und keine Angst mehr haben, dass ich mir alle Knochen breche. Notfalls würde ich die Bremsen auch selbst zahlen.“

WAZ-Leserin spricht von „Skandal“

Ilse Dilger empfindet es als „Skandal, Schwerbehinderte monatelang mit einem mit kaputten Rollstuhl sitzen zu lassen und ein hohes Sicherheitsrisiko in Kauf zu nehmen“.

Im öffentlichen Verkehr werde jedes Fahrzeug mit defekten Bremsen sofort stillgelegt. „Bei uns passiert nichts. Wir bekommen nicht einmal einen Ersatzrollstuhl. Und ohne die WAZ wäre wohl noch immer nichts passiert.“

Zu den Gründen für die lange Wartezeit nimmt die Knappschaft in ihrer Erklärung keine Stellung.

Das wird wohl nicht nötig sein. Auf Anfrage der WAZ spricht die Knappschaft von „Unstimmigkeiten“ zwischen Ilse Dilger und dem Gelsenkirchener Sanitätshaus. Die Krankenversicherung habe reagiert: „Wir haben sofort ein neues Sanitätshaus mit einem Hausbesuch bei Frau Dilger und einer schnellstmöglichen Behebung der Probleme mit den Rollstuhlbremsen beauftragt“, erklärt Sprecherin Sandra Piehl. Inzwischen war ein Mitarbeiter des neuen Sanitätshauses bei der WAZ-Leserin. Und siehe da: Ilse Dilger lag mit ihrer Diagnose offenbar von Anfang an richtig. „Nach dem Hausbesuch hat das Sanitätshaus umgehend neue Bremsen bestellt“, so die Knappschaft. Mit der Auslieferung sei in der nächsten Woche zu rechnen. „Die Bremsen werden dann umgehend eingebaut“, verspricht die Versicherung.