Ruhrgebiet. . Die sehr kleinen Wohnungen sind komplett ausgestattet. Aber die Miete ist meistens hoch. Kritiker befürchten, ärmere Mieter würden verdrängt.

Männer hämmern, bohren, schweißen, Kräne hieven, Laster halten: Auf Dortmunds derzeit größter Baustelle für Wohnungen geht es gerade angemessen hektisch zu. Teilweise wachsen die Gebäude erst aus den Fundamenten, teilweise recken sie sich schon im Rohbau bis in die abschließende, siebte Etage. Und am Bauzaun hängt ein Transparent des Bauherren „Revitalis Real Estate AG“ aus Hamburg, darauf steht: „Wir realisieren Lebensträume.“ Zumindest, sofern diese Lebensträume befristet sind.

Denn hier, zwischen den Westfalenhallen und dem seit Jahrzehnten angesagten Kreuzviertel mit vielen großzügigen Häusern aus der Gründerzeit, entsteht quasi das Gegenteil: 222 Mietwohnungen, vor allem aber 365 möblierte Mikroapartments.

Um die 20 Quadratmeter Wohnraum sind die Regel

Mit 22 bis 49 Quadratmetern Fläche sind die Apartments für ihre Branche sogar noch erstaunlich groß, um die 20 Quadratmeter sind eher die Regel. Sie entstehen in Großstädten weltweit, und mit der üblichen Verzögerung ist der Trend nun im Ruhrgebiet angekommen.

Das Projekt in Dortmund: vorn die Wittekindstraße, oben rechts die Westfalenhallen.
Das Projekt in Dortmund: vorn die Wittekindstraße, oben rechts die Westfalenhallen. © Ingo Otto

In Essen richtet sich ein erstes solches Gebäude der „Cayros Capital Partners“ aus München an Geschäftsleute, die für ein paar Monate in der Gegend bleiben. Für Dortmund sind gleich drei große Komplexe vor allem für Studenten geplant, in Bochum ist ein erster Versuch gescheitert, und ein ganz kleiner Ableger des Investitionsmodells Mikroapartment findet sich kurioserweise auch schon in Witten; dorthin fahren wir aber erst gegen Ende dieser Geschichte.

Oft mit Hausmeister und Fitnessraum

„Studenten, Pendler, Beschäftigte der Fachhochschule und der Universität, Auszubildende und junge Berufstätige“ seien die potenziellen Mieter, so der Investor am Kreuzviertel und wirbt mit „sehr guter Infrastruktur und szenigen Ausgehmöglichkeiten“.

Man ahnt es spätestens jetzt: Das richtet sich vor allem an Leute, die nicht die Wohnung fürs Leben suchen, sondern die für einen begrenzten Zeitraum von Monaten oder ein, zwei Jahren vernünftig unterkommen wollen. Hastig wohnen, sozusagen, alles haben und mit nichts zu tun.

Denn die Betreiber bieten oft auch Hausmeisterdienste an, unterhalten Fitnessraum, Schwimmbad oder Fahrradkeller und haben gut ausgestattete Gemeinschaftsräume eingerichtet. Der Preis dafür ist freilich in der Regel hoch.

„Mit normalen Einkommen unerschwinglich“

In etwa einem Jahr sollen die ersten Mieter einziehen können.
In etwa einem Jahr sollen die ersten Mieter einziehen können. © Ingo Otto

Warmmieten auch deutlich über 20 Euro pro Quadratmeter sind in einem Berlin oder einem Hamburg keine Seltenheit, was an dieser Stelle die Kritiker der Mikroapartments auf den Plan ruft – und ihnen geht es nicht um die Mieter, oft tatsächlich Studenten, also Kinder aus gutem oder wenigstens wohlhabendem Hause, wie man einmal unterstellen darf.

„Für Familien ist so etwas nicht gedacht. Die werden verdrängt und verschwinden aus dem Stadtbild“, sagt etwa der Stadtplaner und Architekt Markus Appenzeller im Deutschlandfunk. Und Knut Unger vom „Mieterverein Witten und Umgebung“ sagt: Wenn sich Mikroapartments weiter deutlich vermehren, dann würden die Innenstädte „für die ansässige Bevölkerung mit normalen und niedrigen Einkommen unerschwinglich“.

In Witten wurde eine Praxis in Apartments zerlegt

Und so klingt auch die Einschätzung der Stadt Dortmund zu den drei Projekten ein kleines bisschen zwiespältig: Es handele sich um „ein Nischenprodukt“. Die Mikroapartments seien in Dortmund „nicht dem Luxussegment, sondern dem gehobenen Preissegment zuzuordnen ... Jede neu gebaute Wohnung, auch eine teure, entlastet den angespannten Wohnungsmarkt.“

Die Vermarktung des Komplexes am Kreuzviertel soll im Winter 2020 beginnen, der Bezug im Frühjahr. Für eine Art Mikro-Mikroapartmentanlage werden dagegen in Witten bereits Mieter gesucht: Dort haben ein Vater und seine Tochter eine frühere Arztpraxis in einem denkmalgeschützten Haus in sechs möblierte Kleinapartments zerlegt.

Gesucht: Bezahlbare Grundstücke in Innenstadtlagen

Vermieterin Sandra Weniger im Gemeinschaftsraum des Wittener Apartment-Komplexes.
Vermieterin Sandra Weniger im Gemeinschaftsraum des Wittener Apartment-Komplexes. © Jürgen Theobald

„Junge Menschen wünschen sich heute mehr Privatsphäre, wollen sich nicht mehr unbedingt zu dritt ein Bad teilen“, sagt Eigentümer Peter Dürscheid. Die Miete ist allerdings auch entsprechend: 19,50 Euro warm sind auch inklusive Nebenleistungen eine Ansage für eine Stadt wie Witten.

Ach, das leidige Geld: Die „Revitalis Real Estate“, die in Dortmund baut, lässt mitteilen, dass sie „gern Wohnraum/Mikroapartments auch in anderen Ruhrgebietsstädten schafft – allerdings benötigen wir dafür geeignete (bezahlbare) Grundstücke in Innenstadtlagen“.