Ruhrgebiet. . Der 7. Vivawest-Marathon durch das Ruhrgebiet brachte am Sonntag mehr als 9000 Läufer auf die Beine. Auf der halben Distanz siegte eine Frau.
Der Schnellste von allen war eine Frau! Das gibt es nicht oft im Sport und auch nicht beim Laufen, aber in Gelsenkirchen ist es am Sonntag passiert. Anke Esser ließ beim Halbmarathon den ersten Mann um fast zwei Minuten hinter sich. Was angeblich nicht daran liegt, dass die gebürtige Westfälin seit einiger Zeit in Kenia trainiert.
Nun ist der Vivawest-Marathon, diesmal schon der 7. seiner Art, eigentlich
nicht der Volkslauf, der sich über Rekorde definiert. Dieser aber wird in die Geschichte eingehen: Da steht das Publikum in Erwartung des ersten Läufers am Ziel in Gelsenkirchen, und um die Ecke biegt – eine Frau. Und wie! Entspannt sieht die 29-Jährige aus, dabei war das Wetter wie schon so oft bei diesem Lauf: zu warm, zu schwül, zu drückend für Bestleistungen. Eigentlich. Hinter Anke Esser, die für 21,1 Kilometer eine Stunde und 16 Minuten braucht, kommt Jones Asarg, der muss sich hinter der Linie erst einmal setzen, die Sanitäter springen herbei, verarzten seinen blutenden Fuß.
Im Ziel werden nicht nur den Schnellen die Beine weich
Es gibt andere, die ähnlich malträtiert durchs Ziel fallen an diesem Tag. Der Marathon-Zweite legt sein offenbar karges Frühstück ausgerechnet der VIP-Tribüne zu Füßen, Marathon-Siegerin Annika Vössing aus Essen – vor drei Tagen erst Siegerin des Oberhausener Firmenlaufs, geben die Beine nach, auf ihren Lippen ist nur ein Wort zu lesen: „Warm“. Eine Frau hält tröstend ein Plakat hoch: „Viel Arbeit für eine Gratis-Banane.“ Die meisten Läufer wollen am sprichwörtlichen Ende aber nur eins: Wasser.
Es haben ja alle gekämpft, nicht um den Sieg, aber um eine neue Bestzeit, gegen den Ehemann oder wenigstens gegen den inneren Schweinehund. Weshalb 9344 Sportler in fünf Disziplinen an diesem Sonntag nach dem Blick auf die Uhr glücklich in die Sonne gucken: Geschafft! Ralph geht das so, der als 14. im Halbmarathon just einläuft, als für den Marathon-Gewinner die Konfetti-Kanone knallt. Joleen auch, der Halbmarathon-Dritten, deren Schwester Nina eine Botschaft auf dem Rücken trägt: „Eine Schwester ist ein Geschenk, aber eine Schwester, die mit dir läuft, ist unbezahlbar!“ All’ den stolzen im Clowns-Kostüm, ohne Schuhe oder tatsächlich: im schwarz-gelben Dortmund-Trikot.
Feuerwehrmann läuft mit vollem Atemschutz
Auch Stuart aus England ist glücklich, der einen flotten Halbmarathon hinlegt trotz eines eigenwilligen Kostüms: Stuart läuft im Brautkleid mit Schleier, dies ist sein Junggesellenabschied, alle seine Kumpels sind auch dabei (aber hinter ihm). „Meine Verlobte habe ich auch über das Laufen kennengelernt.“ Und dann ist da noch der Feuerwehrmann Ingmar, der zwar mit mehr als dreieinhalb Stunden für die halbe Strecke nicht der Schnellste ist, aber wie auch: Er läuft in voller Montur inklusive Atemschutz und Druckluftflaschen – und Fahne. Fast 40 Kilo, hat er am Start gesagt, wiegt das.
Apropos Feuerwehr: Erstmals suchen auf dem Weg zwischen Gelsenkirchen, Essen, Bottrop und Gladbeck die Brandbekämpfer ihren Besten. „Angefeuert“ werden sie kurz vor Gelsenkirchens Nordsternpark, selbst im Ziel sind sie noch „Fit for fire“, fit fürs Feuer, jedenfalls steht das so auf ihren Hemden. Es gewinnen: Dean Hagedorn aus Bochum den Halbmarathon und Jörg Spors von der Feuerwehr Essen über die 42,195 Kilometer. Die Krone im Staffellauf holt sich übrigens der ASV Duisburg. Das Ruhrgebiet...
„Wir sind hier nicht für zum Spass!“
Überhaupt, das ist ja speziell. Führt seine Strecke, die Sportler aus der Region immer noch als Nachfolger „ihres“ Ruhrmarathons sehen, über Zeche und Kokerei Zollverein, vorbei an Prosper Haniel und Zeche Nordstern. In Essen haben ehemalige Bergleute Aufmunterndes auf den Asphalt geschrieben: „Geht nich’ gibbet nich’!“ Oder „Wir sind nich’ für zum Spass hier!“ Ein Kumpel macht freundlich Mut: „Es geht bergab, nur noch 37 Kilometer!“ Allerdings geht es nicht bergab, gerade die Läufer der ersten Staffel-Etappe über 15 Kilometer klagen später über die Anstiege.
Und über etwas müdes Publikum. Da stehen nicht viele, die jubeln, an großen Straßen nicht und auch nicht an den Radwegen. „Manchmal ist viel los“, sagt der Ex-Europameister Jan Fitschen diplomatisch, „manchmal ist wenig los. Die Mischung macht’s, das ist ganz geil.“ Womit er auch wieder recht hat; die persönliche La Ola-Welle der Cheerleader am Brieftaubenzentrum in Essen wird in Erinnerung bleiben.
Nächster Vivawest-Marathon am 17. Mai 2020
Wie dann doch noch ein weiterer Rekord: 14 Staffelläufer aus Essen teilten sich die Vier-Städte-Tour, sie wollten am Sonntag des deutschen Marathon-Rekord von Arne Gabius unterbieten. Das hat bislang noch kein Team geschafft, nicht einmal eines aus 42 Sportlern. Gestern gelang es. Mit 2:06:58 Stunden blieben die 13 Männer und eine Frau fast zwei Minuten unter der Gabius-Zeit. Nächstes Jahr, kündigten sie glücklich an, brechen sie dann eben den Weltrekord. Der Termin steht schon fest: 17. Mai 2020.
>>INFO: DAS WAR DER 7. VIVAWEST-MARATHON
Die Sieger des Marathon:
1. Annika Vössing (Essen, 2:57:34), 2. Ina Radix (Bochum), 3. Anika Fels
1. Elias Sansar (2:25:52), 2. Ezamzami Abid, 3. Nikki Johnstone
Annika Vössing aus Essen gewann den Marathon. Foto: Kai Kitschenberg Sieger Halbmarathon:
1. Anke Esser (1:16:30), 2. Angela Moesch, 3. Joleen Gedward
1. Jones Asarg (1:18:23), 2. Robin Roth, 3. Sven Vels
WAZ-10-Kilometer-Lauf:
1. Saskia Hettkamp (Bottrop, 00:44:13), 2. Busra Karatas Yergok, 3. Sarah Perske (Gelsenkirchen)
1. Simon Goytom (00:37:47), 2. Gerrit Schönwald, 3. Max Meisner
Ruhrgebietsmeister Marathon:
1. Oliver Christeleit (Essen, 2:42:08), 1. Claudia Massau (2:32:40)
Alle Ergebnisse: www.vivawest-marathon.de