Gelsenkirchen. . Die Ruhr-Konferenz in Gelsenkirchen soll Ideen für eine bessere Bildung bringen. Drei Pläne für Problemviertel verfolgt das Ministerium bereits.
Wie schafft man es, dass Erfolg in der Schule unabhängig wird von Herkunft? Das ist am Donnerstag die große Frage der Ruhr-Konferenz in der Veltins-Arena. Darüber unterhalten sich einen Tag lang rund 300 Experten aus der Region: Schulleiter, die mit einem Ausländeranteil von 80 Prozent umgehen müssen, ebenso wie Vertreter der Landeselternschaften, von Verbänden, Bildungshilfen und Stiftungen. Die besten Antworten, die sie finden – so das Versprechen der Veranstaltungsreihe Ruhr-Konferenz – sollen im September auf den Tisch der Landesregierung kommen.
Diese Liste mit Vorschlägen liegt noch nicht vor, die Notizen, Zettel und Mails, die bei dieser Bildungskonferenz in Gelsenkirchen zusammenkamen, müssen noch aufgearbeitet werden. Konkret benennt Staatssekretär Mathias Richter (FDP) jedoch schon drei neue Ansätze, um die Lage in schwierigen Stadtteilen zu verbessern:
Schulscharfer Sozialindex
Lehrerstellen könnten künftig stärker nach dem sozialen Bedarf verteilt werden. Schon heute gibt es einen solchen Sozialindex, über den etwa 3000 Lehrerstellen vergeben werden. Bei Amtsantritt der schwarz-gelben Landesregierung waren es noch etwa 1350 Stellen, bis 2020 soll diese Zahl auf rund 4500 wachsen. Bislang orientiert sich diese Vergabe jedoch an den sozialen Daten ganzer Städte oder Kreise – und ignoriert zunächst die Unterschiede zum Beispiel die Unterschiede zwischen dem Essener Süden und dem Norden. (Die lokale Schulaufsicht hat hier im zweiten Schritt noch Einflussmöglichkeiten.) Künftig soll es einen „schulscharfen Sozialindikator“ geben. Die Lage vor Ort soll entscheiden.
Entwickelt wird das neue Modell von der Ruhr-Uni Bochum und der Landesagentur „Qua-LiS“. Richter hofft, dass die Regierung das Projekt bis zum Schuljahr 2021 beschließen wird. Die Verteilungsdebatte vorausahnend, betont er: „Man kann es eigentlich nur mit zusätzlichen Stellen machen.“
Zuschüsse und Versetzungen
Doch schon heute ist es schwierig, Lehrerstellen zu besetzen, besonders in schwierigen Stadtteilen. „Ich glaube, dass wir da viel konsequenter vorgehen müssen“, sagt der Staatssekretär. Stichwort „Versetzung“. „Wir müssen alle Register ziehen dürfen, um Lehrkräfte dort zum Einsatz zu bringen, wo sie gebraucht werden.“ Doch bevor verbeamtete Lehrer versetzt werden, plant das Schulministerium, ihnen Anreize zu bieten. Die Möglichkeit einer zehnprozentige Lohnerhöhung, die sich über drei Jahre abschmilzt, sieht das Schulgesetz ausdrücklich vor. Ob die Landesregierung ab dem Schuljahr 20/21 davon Gebrauch macht, sei gerade in Verhandlung, so Richter.
Blaupause Marxloh
Duisburg-Marxloh soll zur Schulmodellregion werden. Auch dieser Plan ist noch nicht fertig, aber er soll eine konsequente Stellenbesetzung beinhalten, mehr Ganztagsangebote und Schulsozialarbeit, ebenso wie bessere Schulräume. Die Angebote der Schulen sollen besser miteinander vernetzt, Vereine mit einbezogen werden.
Anlass der „Blaupause Marxloh“, berichtet Richter, sei der Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor etwa einem Jahr gewesen. Er besuchte auch die Henrietten-Grundschule – und die Schulleiterin fragte danach: „Und was jetzt?“ – Ihr Brief kam gut an im NRW-Schulministerium: „Kein Klagebrief, sie sah die Herausforderungen und Chancen.“ Einen ganzen Tag setzte man sich vor Ort zusammen. Das Ergebnis, hofft Richter, könnte man auf andere schwierige Stadtteile anwenden.
Die Ruhr-Konferenz soll weitere Ideen bringen, soll gute Projekte bekannter machen. In einem Workshop zum Thema „Eltern als Erziehungspartner“ meldet sich die Konrektorin einer Talentschule in Hagen zu Wort. Mittlerweile gebe es durchaus arabisch und persisch sprechende Kollegen. Doch so viele Schüler kämen nun aus Osteuropa, vermehrt mit Eltern, die Analphabeten sind: „Da hilft gerade überhaupt nichts mehr.“
>> Info: So funktioniert die Ruhr-Konferenz
Die Basis der Ruhr-Konferenz bilden 20 Themenforum, wie eben das zur Bildung in Gelsenkirchen. Hier sollen bis zur Sommerpause gute Projektideen für die Region gesammelt werden. Experten treffen eine Auswahl. Dann entscheidet die Landesregierung über die Projekte, die ab 2020 in die Umsetzung gehen.