Dortmund. . Auf Fuck-up-Nights erzählen Gründer, woran sie scheiterten. Das Format kommt an im Ruhrgebiet. Der Haken ist: der neuerliche Erfolg der Redner.

Christoph Kühnapfel ist vermutlich der erfolgreichste aller Gescheiterten. So tritt er wenigstens auf, neben dem Logo „ck“: „Millionen von Euro“ habe er auf der Straße liegen lassen durch Fehler im Umgang mit Mitarbeitern, sagt er gerade auf dem Podium; „megaviel Geld verloren,“ bis er die Bedeutung von Marketing begriff.

Und es habe ihn „acht Millionen gekostet“, zu lange an einem Produkt festzuhalten. Aber er sei noch dabei mit „zwölf Companies, sieben erst seit Januar“, und sei für all die Geschäftsführer der Mentor: „Für sie bin ich 24/7 zu erreichen.“ Abgang mit einem Klassiker: „Wenn ihr an euer Produkt glaubt, dann schafft ihr das.“ Und der Mann ist keiner dieser Motivationstrainer.

350 Leute im besten Alter fürs Gründen oder Scheitern

Beifall im Stehen für Kühnapfel (39). Moderator Christian Dasbach hat das Publikum zuvor darauf eingeschworen, allen Rednern zuzujubeln. Ein Helfer filmt das jetzt.

Etwa 350 zahlende Besucher kommen zur Fuck-up-Night in die Dasa.
Etwa 350 zahlende Besucher kommen zur Fuck-up-Night in die Dasa. © Julia Tillmann

Hätte man nicht erwartet, so einen Auftritt auf einer sogenannten Fuck-up-Night. Denn das ist ein Veranstaltungsformat, auf dem Gescheiterte erzählen. Geschäftsführer und Firmengründer vor allem. Und das Publikum? 350 Leute an diesem Abend in der Dortmunder Arbeitswelt-Ausstellung (Dasa), im Studentenalter plus x, im besten Gründer- oder Scheiter-Alter also.

Format in derzeit 80 Ländern und 304 Städten

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Die noch etwas dazulernen wollen. Die Nächte gibt es weltweit, auf der offiziellen Liste stehen jetzt 80 Länder und 304 Städte. Dortmund, Bochum, Essen, Gelsenkirchen darunter.

Doch spätestens beim dritten von vier Auftritten an diesem Abend zeigt sich der leichte Webfehler: Denn da reden lauter Leute, die ihr Scheitern verpackt haben und wieder erfolgreich wurden. Wie Kühnapfel. Zumindest erzählen sie das.

„Ich habe das Hauptproblem zum Mittelpunkt gemacht“

Bastienne Neumann aus Berlin steht jetzt auf dem Podium, sie war auf dem Weg in den Judo-Leistungssport, bis mehrere Kreuzbandrisse sich dazwischenwarfen. Da nahm sie ziemlich zu. „Ich habe das Hauptproblem ,Ich will abnehmen’ zum Mittelpunkt gemacht und Ernährungswissenschaften studiert“, sagt die 26-Jährige.

Heute veröffentlich sie im Internet zum Thema Ernährungspsychologie, hat Millionen Klicks, Bücher geschrieben, kann davon leben. Ihr Ziel? „Eigene Events, das ist mein nächster Step ... Everything happens for a reason.“ Großmutter hätte gesagt: „Wer weiß, wofür es gut ist.“ Wieder: Beifall im Stehen, für Neumann.

Sie scheiterten zunächst: Walt Disney, Steven Spielberg

Was das soll? „Unser Ziel ist es, die Kultur des Scheiterns im Zuge der Unternehmensgründung zu kultivieren“, schreibt der Veranstalter auf fun-ruhr.de. Es folgen Beispiele von Menschen, die sich bekrabbelt haben: Walt Disney, dessen Zeichnungen zunächst niemand sehen wollte, Steve Jobs, entlassen, Steven Spielberg, von der Filmschule geworfen.

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„Scheitern scheint also irgendwie mit dem Erfolg in Zusammenhang zu stehen“, steht da. Da unterschlagen sie natürlich eines: die vielen Gescheiterten, die damit untergingen. Und die nie auf eine Bühne treten würden, nicht einmal auf ein klitzekleines Podest.

„Babys stehen einmal mehr auf, als sie hinfallen“

Pavlos Tsulfaidis kann das, ein Börsengang und ein Motorradunfall warfen ihn gleich zweimal aus der Bahn, aber auch er ist zurück: als Gründer und Geschäftsführer der Dortmunder Firma Smartstore. „Babys stehen einmal mehr auf, als sie hinfallen, darum geht es“, sagt der 49-Jährige. Sein Scheitern hat er wettgemacht, der Auftritt fällt ihm leicht: „Ich hab’ ja niemand umgebracht. Irgendeinem fällt immer der Meteorit auf den Kopf.“

Dies ist seine Premiere, aber Tsulfaidis kommt gerade auf den Geschmack. In einer anderen Stadt, bei einer anderen Gelegenheit würde er wieder reden, sagt er danach. Genügend Redner zu finden, so der Mitveranstalter Gunnar Terrahe, sei „unser Flaschenhals“.

Christoph Kühnapfel tritt nach eigenen Angaben inzwischen wöchentlich auf.
Christoph Kühnapfel tritt nach eigenen Angaben inzwischen wöchentlich auf. © Julia Tillmann

Kühnapfel, der Erfolgreichste, tritt inzwischen wöchentlich auf, wie er sagt. Ihn gibt’s übrigens auch zwischen Buchdeckeln. „Zukunft nachholen“ kann man im Internet bestellen. Es ist gerade gratis.

>>>>>>>>Die nächsten Veranstaltungen

Die nächsten Fuck-up-Nächte der Agentur „team2digital“ sind geplant für den 11. Juli in der Weststadthalle in Essen, für Oktober in der Jahrhunderthalle in Bochum und für den Winter in der Kaue in Gelsenkirchen. Der Eintritt kostet zwischen sechs und neun Euro: Je später man bucht, desto teurer.