Ruhrgebiet. . Forschen untersuchen, welche Geräuschkulissen Menschen als angenehm empfinden. Sie wollen wissen, wie sie die Gesundheit beeinflussen.

Nichts ist so leise wie ein Fußballstadion am Montagmorgen. Sollte man meinen. Doch das Gegenteil ist richtig, hören Sie nur.

Vögelchen zwitschern massiv, ab und zu fährt ein Auto leise am Parkplatz der Lohrheide vorbei, in der Ferne tackert ein maschineller Meißel, jemand hämmert irgendwo. Und die akustische Krönung von allem: das deutliche Klack, das ertönt, als der Fahrersitz einer Frau einrastet, den sie gerade nach vorn geschoben hat.

Was man alles hört, wenn man hin hört! Und gesund ist es auch noch. Soweit man weiß: Und darum geht es hier.

Sie messen Windgeschwindigkeit und Luftdruck

Und weiter. Die Helfer laufen von Messpunkt zu Messpunkt, weil es mit dem Auto zu umständlich
Und weiter. Die Helfer laufen von Messpunkt zu Messpunkt, weil es mit dem Auto zu umständlich © Olaf Fuhrmann

Nach fünf Minuten Aufnahme machen Jonas Poppen und Salman Ahmed (beide 27) das Mikrofon wieder aus. Notieren auf Blättern auf einem Klemmbrett die Windgeschwindigkeit, den Luftdruck, die Temperatur, weil all das die Geräusche beeinflusst. Und ziehen dann weiter zum nächsten Messpunkt.

32 Stellen steuern sie heute an in Bochum-Wattenscheid. Achtung, hier kommt die Wissenschaft, sie trägt gelbe Warnwesten mit den Schriftzügen „Universitätsklinikum Essen“ und „Technische Universität Dortmund“, womit wir nun beim Thema wären. Endlich.

Um die 3000 Messungen in Bochum

Rund 3000 solcher Messungen wird es nämlich in einem Jahr in Bochum geben, an 730 zufällig ausgewählten Stellen. Fünf Mitarbeiter messen dort die Frequenzen und nehmen Töne auf. Das Ziel: festzustellen, welche Frequenzen und welche Geräusche des städtischen Zusammenlebens der Mensch als angenehm empfindet. Darüber weiß man nämlich eigentlich recht wenig.

Professor Susanne Moebus erforscht mit anderen Wissenschaftlern aus Dortmund und Duisburg/Essen, wie die Geräusche einer Stadt auf den Körper wirken.
Professor Susanne Moebus erforscht mit anderen Wissenschaftlern aus Dortmund und Duisburg/Essen, wie die Geräusche einer Stadt auf den Körper wirken. © Julia Tillmann

Das Endziel ist ebenso naheliegend wie weit entfernt: Wenn man weiß, welche gehörte Umgebung Menschen mögen, welche ihnen gut tut, dann kann man etwa im Städtebau darauf eingehen. „Wir befragen die Menschen, was sie als angenehm empfanden, und gucken dann, in welcher Umgebung das entstanden ist“, sagt die Professorin Susanne Moebus von der Uniklinik Essen.

Leisere Klang-Landschaften sind wenig erforscht

Verkehrslärm und seine schädlichen Folgen für Herz und Kreislauf sind ganz gut erforscht, andere, leisere Klang-Landschaften weniger. „Wenn der Schwellenwert unterschritten ist, ist für den Lärmschützer alles erledigt“, sagt Susanne Moebus.

Salman Ahmed und Jonas Poppen sind inzwischen in der Jahnstraße angekommen, einer kleinen Wohnstraße, die gerade so laut ist wie vermutlich lange nicht. Achtung, Aufnahme! Ein Laster bahnt sich den Weg. Ein anderer piepst im Rückwärtsgang. Ein Insekt brummt vorbei. Gesprächsfetzen aus einem Vorgarten. Die unvermeidlichen Vögel zwitschern. Arbeiter werfen alte Pflastersteine in einen leeren Container, dass es kracht.

„Flugzeug fliegt vorbei.“ – „Welches Flugzeug?“

Ahmed schreibt in den Berichtsbogen als Bemerkung: „Müll wird aufgeladen.“ Poppen sagt: „Man merkt, wie selektiv man hört. Neulich habe ich als Bemerkung aufgeschrieben: Flugzeug fliegt vorbei. Da sagt er: Welches Flugzeug?“

In der Stadt höre man nur noch laut und leise, sagt Moebus: „Alles andere nehmen wir nicht mehr wahr.“ In einem ersten Schritt sollen schon in wenigen Wochen Daten aus den Tonaufnahmen verglichen werden mit Daten einer langjährigen Gesundheitsstudie, die ebenfalls in Bochum erhoben wurde. Und vielleicht lassen sich dann ja schon vorsichtige Schlüsse ziehen, welche Hintergrundgeräusche gut tun.

Die Werte aus dem Dezibel-Messgerät werden automatisch gespeichert.
Die Werte aus dem Dezibel-Messgerät werden automatisch gespeichert. © Olaf Fuhrmann

Parallel dazu sind natürlich Poppen, Ahmed und die anderen unterwegs für weitere Hörproben. Aber, Frau Professor Moebus, wirklich überall? Auch in den stillsten und abgelegensten Ecken von Bochum-Stiepel? „Sie würden sich wundern, was man da alles hört“, sagt Moebus. Bestimmt auch wieder diese Vögel.

Messungen in Bochum, weil es in der Mitte liegt

Neben der Uniklinik Essen ist an der Forschung auch die Fakultät Raumplanung der TU Dortmund beteiligt. Die Stiftung Mercator fördert das Projekt. Die Messungen laufen in Bochum, weil es für die Beteiligten so schön mittig liegt: Die Dortmunder messen im Osten der Stadt, die Essener im Westen.