Ruhrgebiet. . NRW steht vor einem „Flüsterasphalt“-Dilemma. Der Lärmschutz auf Autobahnen hat keine Langlebigkeit. Experten suchen nach Alternativen.
Ausgerechnet die hohen Lärmschutzauflagen an Autobahnen führen in NRW dazu, dass viele Anlieger zusätzlichen Baustellen ausgesetzt sind. Denn der Flüsterasphalt („Offenporiger Asphalt“, Opa) erreicht zwar „die mit Abstand beste Lärmminderung“, sagt Christoph Dröge, Leiter der Abteilung Straßenbau bei Straßen NRW.
Er geht aber auch besonders schnell wieder kaputt und muss dann neu aufgetragen werden: nach zehn bis zwölf Jahren, Gussasphalt erreicht 25 bis 30 Jahre.
Er liegt da, wo viele Menschen wohnen: im Ruhrgebiet und in der Rheinschiene, auf rund 100 Kilometern Autobahn. Doch auf der A 40 bei Essen und Mülheim und der A 3 bei Oberhausen und Duisburg musste der Flüsterasphalt bereits erneuert werden. Auf einem Stück der A 59 in Duisburg ist er Ende Februar bereits nach vier Jahren zerbröselt, freilich kommen hier auch Ursachen infrage wie Material- oder Verarbeitungsfehler.
„Als reiner Straßenbauer würde man den nie nehmen“
Auf Abschnitten der A 43, 46 und 52 wird der offenporige Asphalt in den nächsten Jahren aufgetragen. Er verringert den Straßenverkehrslärm dauerhaft um fünf Dezibel, das ist gehört die Hälfte des Verkehrslärms, keiner der anderen zugelassenen Beläge erreicht das.
„Wenn man die Lärmschutz-Richtlinien einhalten will, muss man Opa nehmen“, sagt ein anderer Fachmann: „Wenn es die Leute links und rechts nicht gäbe, würde man den als reiner Straßenbauer nie nehmen. Wir machen das nicht ganz freiwillig.“
Offene Struktur schluckt Motor- und Rollgeräusche
Die offene Struktur, die Motor- und Rollgeräusche schluckt, ist dabei zugleich das Problem: Sie setzt sich über die Jahre zu mit Staub und Abrieb. Zugleich wird sie immer härter und zerfällt.
„Straßen NRW“ experimentiert deshalb an mehreren Autobahnabschnitten mit neuen, teilweise selbst entwickelten Belägen, die großen Lärmschutz mit längerer Haltbarkeit verbinden sollen. Da ihre Wirksamkeit noch nicht geklärt ist, liegen sie in Regionen, in denen gar kein Lärmschutz erforderlich ist.
Langjährige Meßreihen an alternativen Asphalten
Das Kreuz Lotte/Osnabrück ist ja eher bekannt für geballten Stillstand auf Rädern, aber an jenem Donnerstag nehmen hier in der Nähe ein paar Techniker die Zukunft in die Hand. Sie trägt die Form einer Asphaltschicht, hört auf den Namen PMA5 und wurde beim Landesbetrieb „Straßen NRW“ in Gelsenkirchen entwickelt. „Wir brauchen zwei, drei Jahre für eine langfristige Einschätzung“, sagt damals einer der Männer. Das ist nun achteinhalb Jahre her.
Ein Ersatz für Opa ist jedoch noch immer nicht gefunden. „Es ist ja nicht so, dass Prüfer und Stellen besonders langsam sind“, sagt Bernd Hinrichs, der Sprecher des „Deutschen Asphaltverbandes“: „Sondern man braucht lange Meßreihen.“
„Die Zwischenergebnisse sind gut“
Um zu sehen, ob und wie der Lärmschutz sich verändert, wenn über Jahre Hunderttausende Fahrzeuge darüber fahren. Wenn milde Winter und harte Winter auf ihn einwirken, trockene und nasse Sommer. Normalerweise geht die Lärmschutzwirkung zurück. Ein anderer Experte sagt: „Wir Straßenbauer denken in sehr langen Zeiträumen. Fünf, sechs Jahre Test sind uns lieber als zwei oder drei.“
„Die Teststrecken haben bis zu zehn Jahre auf dem Buckel, die Beobachtung und die Messungen gehen weiter. Die Zwischenergebnisse sind gut“, sagt Christoph Dröge. Bei Köln gibt es entsprechende Versuche, auch den Flüsterasphalt selbst haltbarer zu machen, indem man die Materialzusammensetzung ändert – aber auch dieser Test dauert erst anderthalb Jahre.
Jeder zweite fühlt sich durch Verkehrslärm belästigt
Nach Zahlen des Umweltbundesamtes fühlt sich jeder zweite deutsche durch Straßenverkehrslärm belästigt. Etwa jeder siebte sei „gesundheitsgefährdeten Lärmpegeln durch Straßenverkehr ausgesetzt“.
Auf der Autobahn 52 im Essener Süden etwa wird es in den nächsten Jahren ruhiger. Sie wird auf fünf Kilometern Länge bis zur Einmündung in die A 40 komplett saniert, wahrscheinlich zwischen 2020 und 2022, und im Zuge dessen erhält die Strecke auch offenporigen Asphalt.
„Und das ist für die Anwohner wirklich gut“, sagt Projektleiter Frank Theißing. Zumindest bis Anfang oder Mitte der 30er-Jahre haben sie dann vergleichsweise Ruhe. Und dann garantiert wieder eine Baustelle.