Ruhrgebiet. . Die gesamte Hauptverkehrsachse Gelsenkirchens könnte für ältere Diesel gesperrt werden. Damit würden sich die Folgen für die Stadt verschärfen.

An einem sonnigen 15. November hat die Kurt-Schumacher-Straße ausgesehen, als könne sie kein Lüftchen trüben. Aber das stimmte so nicht, das Diesel-Urteil zu Fahrverboten in Essen, auf der A 40 und in Gelsenkirchen betraf auch sie: So, wie es verstanden wurde damals, sollte die Straße auf wenigen hundert Metern gesperrt werden, auf der ,Schalker Meile’, nahe der Messstation. Logisch.

„Die Gekniffenen sind jetzt die Städte und die Autofahrer“, sagte damals Frank Baranowski (SPD), der Oberbürgermeister von Gelsenkirchen. Die Meinung von Leuten, die dort leben, war hingegen äußerst geteilt: „Wie das hier stinkt“, sagte der Radfahrer, aber der Tankwart: „Echt schlecht.“

„Das macht die ganze Angelegenheit noch absurder“

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Die schriftliche Urteilsbegründung, die seit Freitag vorliegt, ändert die Lage vollkommen: Mit den wenigen hundert Metern ist es nicht getan, es geht um die komplette Kurt-Schumacher-Straße: Mutter aller Straßen in Gelsenkirchen, es gibt keine wichtigere außer den Autobahnen. Sie verbindet das Stadtzentrum mit dem zweiten Zentrum, mit Buer. Und jetzt sagt Baranowski: „Ein Dieselfahrverbot für die gesamte Kurt-Schumacher-Straße macht die ganze Angelegenheit noch absurder. Ich habe große Zweifel daran, dass das noch verhältnismäßig ist.“ Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) übt breite Kritik.

Entlang der Kurt-Schumacher-Straße hat etwa der Auto-Zulieferer TRW Automotive einen großen Standort und der börsennotierte Schlauchspezialist Norres seinen Sitz, dazu kommen Speditionen, mittelständische Firmen und viele Handwerker. Ganz zu schweigen vom Stadthafen und der Schalker Veltins-Arena, auf die über die nahe Kurt-Schumacher-Straße kilometerlange Blechlawinen anrollen bei Fußballspielen und Konzerten – und wo man schon mit funktionierender Kurt-Schumacher-Straße schlecht weg kommt.

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Da ist es kaum ein Trost, dass das Gericht explizit betont, dass es die prekäre Situation getäuschter Autokäufer und Gewerbetreibender mit älteren Diesel-Fahrzeugen anerkennt. Gleichwohl weisen die Richter darauf hin, „sich an die Verantwortlichen zu halten“ und gegebenenfalls zivilrechtlich vorzugehen. Das dürfte noch viele weitere, aber derzeit noch zögernde Dieselfahrer dazu ermuntern, sich den Klagen gegen die Automobilhersteller anzuschließen.

Die Berufung ist angekündigt

Das Urteil vom 15. November, aufgefasst als Beginn einer „Dieseldämmerung“, hatte das Ruhrgebiet zunächst wegen seiner strengen Vorgaben für die Stadt Essen erschüttert: 18 Stadtteile würden demnach im Sommer 2019 für Dieselfahrzeuge zur No-go-area – und dazu die Autobahn 40, mit unabsehbaren Folgen für das gesamte Ruhrgebiet. Inzwischen ist Berufung angekündigt.

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Und was ist eigentlich mit anderen Revierstädten? Die Deutsche Umwelthilfe, die mit ihren Klagen die Verbote erreicht hatte, hat angekündigt, auch über Oberhausen und Hagen Klagen zu führen. Und für Bochum und für Dortmund waren sogar schon für November entsprechende Verfahren erwartet worden. Es kam nicht dazu, weil die juristische Zuständigkeit für das Diesel-Thema genau dann von den Verwaltungsgerichten zum Oberverwaltungsgericht Münster wanderte. Und das muss nun erst einmal seine Verhandlungstermine neu sortieren.