Ruhrgebiet. . Tausende Pendler und Reisende blieben wegen des Warnstreiks hängen. Nach 5 Uhr fuhr im Revier fast nichts mehr. Mancher blieb dennoch entspannt.
Die beiden sind offenbar hängengeblieben. Drei Koffer und zwei Taschen umstellen die Sitzbank im Bochumer Hauptbahnhof, auf der Alexander York sitzt; seine Freundin hat die Beine angezogen und schläft in seinem Schoß. Und was sagt Alexander York lakonisch? „Wir sind ein bisschen gestrandet.“ Ein bisschen.
Eigentlich sollten der US-Amerikaner und seine australische Freundin längst auf dem Weg nach Paris sein, stattdessen sitzen sie fest im Bochumer Hauptbahnhof: „Wir wussten vorher nicht, ob es uns betrifft.“
„Ich finde toll, dass das Volk für seine Rechte kämpft“
Seine Freundin, eine Sängerin, hat sich inzwischen aufgerappelt und sagt Sätze, die ragen heraus aus dem Klein-Klein und den – mit allem gebotenen Respekt – Eintagsschwierigkeiten eines Warnstreiks: „Ich finde das toll, dass das Volk so mächtig ist und für seine Rechte kämpft. Wenn in Australien jemand streikt, hört niemand hin.“
Warnstreik also. Am Montagmorgen zwischen fünf und neun Uhr geht bei der Bahn fast gar nichts, weil die Tarifverhandlungen mit der Bahngewerkschaft EVG am Samstag ohne Einigung blieben.
In Dortmund gibt’s Kaffee, in Essen keine Anzeige mehr
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In Dortmund gibt die Bahn in einer netten Geste Kaffee aus, in Essen sitzen Hunderte auf der großen Treppe gegenüber der elektronischen Anzeigetafel. Die hat längst aufgehört, einzelne Verspätungen anzuzeigen; damit beginnt sie erst wieder nach 9. Und kommt doch mal ein Zug – ist das Gedränge groß. Sehr groß. Bei manchen Menschen auch der Ärger, andererseits sind viele auch erst gar nicht erschienen.
Auch in Bochum machen die Menschen unter der Anzeigetafel lange Hälse. Die listet aber auch Fantasiezahlen auf: „RE1 Essen Verspätung circa 200 Minuten.“ „RE11 (RRX) Hamm circa 90 Minuten.“ „RE6 Dortmund 190 Minuten.“ Einzig hinter der S1 nach Dortmund steht keine Einschränkung – aber davor eine Abfahrtszeit, die längst vorbei ist: „4.44 Uhr“.
Die S-Bahn ist ein Versprechen, das nicht gehalten wird
Wer trotzdem hoffnungsvoll auf den Bahnsteig geht an Gleis 8, findet tatsächlich die S-Bahn vor und setzt sich hinein. Bis man merkt: Sie fährt nicht. Und so ergibt sich das immer gleiche Bild: Menschen steigen ein, Menschen steigen aus. Die warme, erleuchtete S-Bahn ist ein Versprechen, das am frühen Morgen nicht gehalten wird.
Auch das Ehepaar Dißmann aus Wattenscheid steht etwas ratlos in der Bahnhofshalle. Längst sollten die beiden auf dem Weg nach Hamburg sein zu einer Städtetour.
„Fahrkarten behalten bis zum 16.12. ihre Gültigkeit“
„Man hat uns gesagt, der Zug kommt, aber er hält vielleicht nicht. Wir sollten zur Sicherheit nach Dortmund fahren“, sagt Hiltrud Dißmann. Nur: wie? Karl-Heinz Dißmann äußert dazu ein gewisses „Verständnis“ für den Streik, räumt aber ein: „Er kommt für einen persönlich ja nie zur richtigen Zeit.“
Dazwischen immer die Durchsagen der Bahn: Wegen des Streiks komme es zu „Beeinträchtigungen“ – ein hübsches Wort für einen Beinahtotalausfall. Und: „Fahrkarten behalten bis zum 16. Dezember ihre Gültigkeit.“ Nun, so lange wird es ja nicht dauern, doch die Warterei nervt. Nicht alle sind in der glücklichen Lage jener jungen Frau, die gerade in ihr Telefon sagt: „Machst du mir einen Kaffee? Ich komme wieder nach Hause.“