Essen. . Der Abschied von der Steinkohle ist nah – da darf auch ein Film nicht fehlen. Warum der Zweiteiler auf Arte ein ganz besonderer ist.
Die funkelnden Kohlebrocken wirbeln in Zeitlupe durch die Luft. Das sieht so formvollendet ästhetisch aus, dass man für einen Moment befürchtet, die folgenden drei Filmstunden, verteilt auf zwei Fernseh-Abende, könnten zur Heiligsprechung der schwarzen Stücke führen.
Immerhin ist der Abschied ganz nahe, und hier kommt ein 1,6 Millionen Euro teures Vermächtnis in erstklassigen Hochglanzbildern daher. Aber die Filmdokumentation, „Die Steinkohle“ von Jobst Knigge und Manfred Oldenburg, heute und morgen um 20.15 Uhr bei Arte, ist ein ebenso kluger wie kritischer historischer Bilderbogen, der sich von vermeintlicher Bergmanns-Folklore nie davontragen lässt.
Keine Lust auf Romantik
Das freut vor allem die Profis. „Diese Überhöhung mit der Romantik, die da sonst immer passiert mit unserer Arbeit, die kann doch keiner brauchen“, sagt Heinz Assmann (87), der mit 14 auf Zeche Scholven in Gelsenkirchen-Buer erstmals einfuhr und im Film als Zeitzeuge befragt wird.
Reinhold Adam (72), 35 Jahre auf Nordstern in Gelsenkirchen-Horst, und wie Assmann zur Präsentation vor einigen Tagen auf Zollverein in Essen, sieht es genauso: „Man muss den Leuten zeigen, es war eine Leidenschaft, die Leiden schafft.“
Auf allen Vieren unter Tage
Daran spart der Film nicht. Bei allen Strapazen, denen Kumpel unter Tage selbst in diesen Zeiten noch ausgesetzt waren, werden die Verwerfungen besonders beim Blick in Kriegs- und Vorkriegszeiten deutlich: Gebückt oder gar kriechend auf allen Vieren müssen sie sich teils mit bloßen Händen durch die Erde arbeiten, tausende lassen ihr Leben, selbst kleine Kinder schuften für weniger als ein Taschengeld im Bergbau.
Knigge und Oldenburg erzählen aber auch die europäische Geschichte
anhand der Steinkohle von der Erfindung der Dampfmaschine bis zum Wirtschaftswunder, in der das Ruhrgebiet im Geld zu schwimmen scheint. Drei Jahre haben sie an der Dokumentation gearbeitet, monatelang Material in Archiven gesammelt, Zeitzeugen und Wissenschaftler interviewt – das sieht man dem Film an.
Er erzählt zudem nicht nur spannende Geschichten, sondern liefert spektakuläre Bilder aus mehr als 1000 Metern Tiefe, wie man sie in dieser Brillanz vermutlich noch nicht gesehen hat. Bilder, die auch jene packen, die glauben, mit dem Thema rein gar nichts anfangen zu können. Oder froh sind, wenn es vorbei ist.
Klaus Hüls hat genug vom „Stilllegungszirkus“
Klaus Hüls (80) aus Bottrop, auch ein halbes Leben im Einsatz, scheint mit dem Film ebenfalls zufrieden. Er ist aber vor allem froh, wenn dann am 21. Dezember auf Prosper Haniel Schicht im Schacht ist und der Rummel ums allerletzte deutsche Bergwerk beendet ist. „Wissen Sie“, sagt er und lächelt mild: „Ich mach’ diesen ganzen Stilllegungszirkus jetzt schon so lange mit.“