Haltern. Junge Geschichtsbegeisterte lassen sich in Haltern zu Legionären schulen. Sie sollen sich für Besucher angemessen römisch benehmen.
Heute marschieren sie vor allem. Die römische Version von links, rechts, links, rechts üben sie oben auf der breiten Brüstung des Holz-Erde-Walls; auch unten vor dem Westtor der nachgebauten Feste, wo am doppelten Wehrgraben Warnschilder stehen: „Bitte den Grabenbereich nicht betreten. Abrutschgefahr!“ Aber dafür wurde er doch ausgehoben? Naja, wenigstens das Original.
Eine römische Ausrüstung wiegt 44 Kilo
Hans-Werner Berg sagt, wie es geht mit dem richtigen Marschieren. Die Befehle kennt er auch, denn er ist schon ein gestandener Römer; trägt eine 44-Kilo-Ausrüstung am Leib und am Arm den Schild mit der Aufschrift „LEG VI VIC“ („Sechste Legion Die Siegreiche“). Doch für die beiden Jungs, die bei ihm sind, ist das alles noch recht neu. Die Ausbildung hat noch gar nicht richtig begonnen. Dies ist nur ein Fototermin. Und überhaupt, sagt Berg: „Ausbildung ist ein bisschen hoch gegriffen, das klingt dann ja gleich nach Bundeswehr.“
Aber die Nachricht, dass ein Museum eine Legion aufstellt, die hat man auch noch nicht so oft gehört.
In Haltern passiert das gerade: Das Römermuseum möchte Leute schulen, die vom nächsten Frühjahr an angemessen römisch auf dem Außengelände stehen und gehen, machen und tun und, ja, auch das: den Legionär geben. Denn „wer Römer sagt, hat einen Legionär vor Augen“, sagt der Sprecher des Museums, Nils Wolpert. Ist das Show mit den Legionären, Herr Wolpert? „Ich möchte es lieber Lebendigkeit nennen“, sagt er: „Das Ziel ist, dass hier ständig Legionäre etwas vorführen und nicht mehr nur an besonderen Tagen.“
„Varus, gib mir meine Legionen zurück!“
Nach 2009 Jahren wird der Wunsch von Kaiser Augustus wahr: Er bekommt seine Legionen zurück. Nicht drei ganze, aber vielleicht zwölf oder 15 Mann. Aliso braucht dich! Aliso hieß die römische Festung, von der sie vor allem in Haltern fest überzeugt sind, dass sie in Haltern stand.
Berg, der Maschinenbauingenieur aus Wuppertal, ist seit 20 Jahren in der Szene: Mitglied der „1. Römer-Cohorte Opladen“, die vor allem „museale Veranstaltungen begleitet“. Sein Interesse an Rom erwachte im Geschichtsunterricht: „Ich sah so viele Gemeinsamkeiten mit der römischen Antike. Hochhäuser, steinerne Treppenhäuser, den Straßenbau.“ Der 54-Jährige wird beim Aufbau der Legion so eine Art Lehrer sein und die Grundlagen vermitteln: die Tunika zu schneiden, die Sandalen zu fertigen – Schwertkampf steht eigentlich gar nicht im Lehrplan.
An drei Wochenenden im Winter sollen Interessenten geschult werden, um Ende März 2019 bereit zu sein, wenn die Freiluftsaison wieder beginnt und die Leute wieder kommen. Aaron Osterloh wird bereit sein, der als Bundesfreiwilliger eh im Museum wirkt: „Ich habe Ja gesagt, und jetzt stehe ich hier“, sagt der 18-Jährige aus Herne. Nackte Beine, Schnürsandalen in der Kälte, aber man gewöhnt sich.
Sie hantieren mit dem Pilum
Oder auch Niko Calmund aus Lüdinghausen, ebenfalls 18 Jahre alt; seine Motivation beschreibt wohl seine Mutter Desireé Calmund am besten: „So ein Pimpf war er“ – Hand in Hüfthöhe – „da hat er uns das erste Mal hierhin geschleppt.“ Später, als ihr Sohn gerade mit dem Wurfspieß hantiert, wird sie sagen: „Pilum. Sowas kriege ich öfter an den Kopf geschmissen.“ Erleichternderweise zeigt sich, dass sie gar nicht den Spieß meint, sondern nur das lateinische Wort.
Pilum also. „Gladio“ ist auch gefallen, Schwert. „Insulae“, Hochhäuser. Varus. Augustus. Domitian. Tacitus. Am Zugang zum Außengelände mit dem Abwehrwall steht allerdings ein sehr deutsches Schild, das die römischen Vorspiegelungen zutiefst erschüttern könnte: „Achtung! Die Rekonstruktion der römischen Anlagen entspricht nicht dem aktuellen Bauordnungsrecht des Landes NRW.“ Sachen gibt’s.
>> Info: Jubiläum und Bewerbung
Das Römermuseum Haltern feiert am Sonntag, 25. November, sein 25-jähriges Bestehen. Der Eintritt ist frei.
Wer Legionär werden will, stellt sich unter aliso@lwl.org vor. Die Ausrüstung zahlt der LWL.