Kaarst. . Helge Achenbach war mal der Kunstberater der Reichen und Schönen. Dann kamen vier Jahre Haft. Nun ist er wieder frei und hat bereits neue Pläne.

„Helge Achenbach (* 17. April 1952 in Weidenau, Kreis Siegen) ist ein in Düsseldorf ansässiger deutscher Kunstberater, der wegen Betrugs verurteilt wurde“, steht im Internet-Lexikon Wikipedia über ihn. Achenbach lächelt und fährt sich durchs schlohweiße Haar. „Das werden sie mir am Ende noch in den Grabstein eingravieren“, sagt er.

Achenbach weiß, es könnte auch in Jahren noch das sein, was man mit seinem Namen zuerst in Verbindung bringt: Der Mann, der den 2012 verstorbenen Aldi-Milliardär Berthold Albrecht einst um rund 20 Millionen Euro betrog. Mit versteckten Preisaufschlägen, als er ihm Kunstwerke und Oldtimer beschaffte.

Die Ehe hat den Skandal nicht überlebt

Seit Juni ist Helge Achenbach aus der Haft, das Gefängnis hat den 66-Jährigen augenscheinlich nicht gebrochen. Er hat ein paar Kilo abgenommen, aber er versichert: „Es geht mir besonders gut, es ist keine Floskel.“ Er hat Pläne, der fast kindliche Enthusiasmus für neue Projekte, der ihn stets beherrschte, trägt ihn durch die Zeit. Zu sechs Jahren hatten ihn die Essener Richter im März 2015 verurteilt, zwei Drittel seiner Strafe musste er verbüßen, ein Jahr hatte er bereits in Untersuchungshaft gesessen. „Ich hab mich aus der höchsten Liga in den Abgrund geschossen. Nur weil ich dieses Gottvertrauen habe, bin ich nicht dran kaputtgegangen“, glaubt er. „Andere hätten sich aufgehängt.“

Die Ehe des achtfachen Vaters mit Dorothee Achenbach hat den Skandal nicht überlebt. Ihr Buch „Meine Wäsche kennt jetzt jeder“ landete auf der Spiegel-Bestsellerliste, ein weiteres über das Scheitern ihrer Ehe schob sie nach. Achenbach ist ihr nicht gram. Er weiß, dass sie und ihre beiden gemeinsamen Kinder durch seine Fehler leiden mussten. „Ich hab’ eine neue Freundin“, verrät er und mag sich einen Seitenhieb doch nicht verkneifen: „Die liebt mich, wie ich bin und nicht, weil ich irgendwas bedeute.“

Er lebt im Haus des Journalisten Günther Wallraff

Wir besuchen ihn auf einem ehemaligen Bauernhof am Rande von Kaarst bei Düsseldorf. Sein neuer Arbeitsmittelpunkt. Es riecht nach Farbe, wenn man den alten Klinkerbau im Herzen des von Feldern umrahmten Grundstücks betritt. Pferde grasen nebenan, Hühner gackern, von fern ist ein Rauschen auf der Landstraße zu hören.

Ein Freund hat ihm den Hof zur Verfügung gestellt, die Möbel stammen aus Spenden. Ein anderer hat ihm einen Lieferwagen geliehen, ein Dritter ein Handy. „Ich bin rasiert, pleite, ich hab’ nur noch Freunde, die wirkliche Freunde sind und nicht den starken Helge in der Kunstwelt sehen.“ Achenbach hat einen Unterschlupf im Haus von Enthüllungsjournalist Günther Wallraff in Köln-Ehrenfeld gefunden. „Wir kennen uns lange, Günther hat mir gesagt, ich kann bis ans Ende meiner Tage bei ihm wohnen.“

Achenbachs Ziel in Kaarst: „Wir wollen verfolgten Künstlern ein Zuhause geben.“ Wir, das ist der Verein „Kultur ohne Grenzen“, den er mit voranbringen will. Kleine Ateliers sind in den Scheunen ringsherum schon entstanden. 20 Maler und Bildhauer sollen hier einmal arbeiten, drei Afrikaner sind es derzeit.

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Auch Achenbach selbst malt seit einer Weile knallbunte Landschaften, hat mehrere Bilder für ein paar tausend Euro schon verkauft. „Das Geld hab’ ich gespendet“, fügt er schnell hinzu. Denn was er verdient, steht Albrechts Witwe Babette zu, die ihn einst angezeigt hatte: 16,1 Millionen Euro Schadenersatz hat ihr das Gericht zugesprochen.

Die Richter haben ihm mangelnde Einsicht vorgehalten. Das bestreitet er: „Ich bereue diese kriminelle Handlung zutiefst“, sagt er, der sanfte Ton seiner Stimme verfliegt, er wird lauter: „Das war eine Fehlleitung meines Charakters, das macht mich krank.“ Es sei eine „Mischung aus Gier und Geilheit“ gewesen, die ihn getrieben habe. Als „strammer Linker“ sei er in den 70ern in die Kunstwelt gekommen, habe sich als studierter Sozialpädagoge wegen der Künstler darin wohlgefühlt. „Dann bin ich in eine hochspekulative Welt gekommen, die ich als Kunstberater mitgestaltet habe, und ich habe mich auch verderben lassen.“ Das Spiel mit den Millionen habe ihm „das Hirn verdreht“. Er habe die Sucht nach Anerkennung gespürt, das Lebensmotto schneller, höher, weiter habe ihn beflügelt.

Gerhard Richter über Achenbach: „Ein Filou war er immer schon“

Achenbach versorgt die Reichen über drei Jahrzehnte mit Bildern und Skulpturen. Er wird aus naiver Leidenschaft Präsident bei Fortuna Düsseldorf und schreibt nach diesem unerquicklichen Intermezzo Kneipengeschichte als Gastronom, als er das Strandlokal „Monkey’s Island“ auf der Düsseldorfer Hafenspitze zum Hot Spot der Region macht, der es bis in die „Tagesthemen“ schafft. Schließlich veredelt er das WM-Quartier der Nationalelf in Brasilien, ehe er verhaftet wird.

Auf seiner Freundesliste stehen in den großen Jahren große Namen wie Andreas Gursky, Jörg Immendorff, Neo Rauch oder Tony Cragg. „Ich habe für rund 750 Millionen Euro Kunst verkauft“, bilanziert Achenbach, „die heute sicher zwischen vier und fünf Milliarden wert ist.“ Zwei Bilder von Gerhard Richter, die er der damaligen Victoria Versicherung für das Entrée besorgte, damals 240 000 Mark teuer, seien heute 120 Millionen Euro wert. Achenbach schüttelt kaum merklich den Kopf: „Was für ein Irrsinn.“

„Ein Filou war er immer schon“, hat dieser Gerhard Richter über Achenbach gesagt, als er zu ihm befragt wurde. „Schlingel“ und „Schlitzohr“, wer mit Weggefährten über Achenbach spricht, hört auch das. „Ich bin ein guter Verkäufer, ein Menschenfänger“, umschreibt der es etwas nüchterner. Das unverkrampfte Lachen, das Kumpelhafte, das eher rheinisch als westfälisch wirkt, die Umarmungen, der patriarchalische Gestus: Über Kunst doziert hier kein Intellektueller, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut. Helge Achenbach vermeidet auch auf dem Höhepunkt seines Geschäftserfolges die protzigen Posen, er signalisiert Erdverbundenheit.

„Ich bin nicht der typische Betrüger“, beteuert er. Albrecht aber hat er betrogen. „Ich hab’ wie ein kleiner Knirps vor dem großen Geld gekuscht, mich nicht getraut zu sagen, dass fünf Prozent Vermittlungs-Provision zu wenig sind. Ich war zu feige, und die Feigheit hat mich kriminell gemacht.“ Die Stunden mit den Al­brechts seien „nicht komisch“ gewesen, erzählt er, „am Ende hab’ ich wohl gedacht, ich müsste mich noch ein bisschen bedienen.“ Er habe das Geld nicht einmal gebraucht. Obwohl seine drei Restaurants in Kö-Nähe in der Krise steckten.

Und die 16,1 Millionen, die er zurückzahlen soll? Achenbach überrascht: „Mein größtes Ziel ist es, das zu bezahlen.“ Sein Rat sei international immer noch gefragt, wer weiß, was sich in nächster Zeit ergebe. Vorerst aber will er verfolgten Künstlern helfen. „Ich spüre“, sagt er, „dass ich etwas für die Gesellschaft tun will.“ Vielleicht steht dann eines Tages auch etwas anderes auf seinem Grabstein.