Duisburg. . Der SV Wanheim baut eine Walking Football-Gruppe auf. Vor allem Ältere spielen dort Fußball im Gehen. Doch es gibt noch andere Regeländerungen.
An diesem Abend tobt das Leben auf der Platzanlage des SV Wanheim in den verschiedensten Formen. Am anderen Ende versucht Jugendtrainer Carsten Brück gerade mit großer Stimmkraft und, sagen wir, wechselhaftem Erfolg, die wilde Lebenslust sechsjähriger Minis in fußballerische Bahnen zu lenken: „Hörma, was macht ihr da?!“
In der Mitte rennen, flanken und schießen die vom A-Team. Und an diesem Ende stehen mehrere hundert Jahre Kreisliga-Erfahrung auf dem Platz. Zugespitzt könnte man sagen: Genau das sollen sie ja auch.
Gehfußball ist die gelenkschonende Variante
Denn die 14 überwiegend älteren Herren sind durchaus gekommen, um Fußball zu spielen. Freilich in der gelenkschonenden Variante des ,Walking Football (Gehfußball)’, der aus England gerade nach Deutschland schwappt: Es gibt keine Grätsche, kein Abseits, keinen Kopfball. Vor allem aber dürfen die Spieler nur gehen, nicht rennen. Rennen hieße: Freistoß für den Gegner. Und das kann man ja nicht wollen.
„Man muss ganz anders spielen, nicht in den Raum, die Pässe müssen sitzen“, sagt Jörg Niggemann (59), der im SV Wanheim im Duisburger Süden in 50 Jahren alles sozusagen durchlaufen hat: Jugendklassen, Kreisliga, 1., 2., 3. Mannschaft, Trainer, Vorstandsmitglied.
Manche im Modus leichtathletischer Geher
Das Knie hat seine Spielerkarriere von einem Tag auf den anderen beendet, insofern lag es nah, dass ausgerechnet er im Sommer das Thema Walking Football anschnitt. Es war der Moment, als allen anderen ins Gesicht geschrieben stand: Jetzt ist der Jörg bekloppt geworden.
Doch nun, ein paar Monate später, kicken sie tatsächlich. Manche im Modus leichtathletischer Geher, andere gehen ganz normal schnell. Ein Kleinfeld ist ihr Sportplatz, grüne Hütchen grenzen es ein, auch die Torpfosten sind Hütchen. Sieht schon aus wie Fußball. Nur halt im Gehen. Das führt zu lautstarken Beschwerden, die man sonst eher selten hört auf dem Platz: „Der läuft doch! Der läuft!“
Verärgertes Lob: „Die stehen aber auch gut!“
Aber auch hier gibt es ganz normal Angriff und Verteidigung. Da, ein gefährlicher Schuss ans Außenhütchen; und als die rote Mannschaft länger nicht durchdringt, ruft einer ihrer Spieler wahrscheinlich ohne jede Arg: „Die stehen aber auch gut.“ Dann gibt es den Spieler, der regelgerecht dem ins Aus gerollten Ball hinterher rennt – natürlich erst ab der Seitenauslinie.
Und nach etwa zehn Minuten fragt der erste in den Platz: „Ich will jetzt nicht peinlich sein, aber wann ist endlich Pause?“ Denn auch Walking Football strengt an. „Sie müssen immer in Bewegung sein, dauernd gehen, um überhaupt mal den Ball zu kriegen“, sagt Niggemann.
Und der Spieler Bernd Baumheier sagt: „Es macht unheimlich Laune. Und ich bin jetzt kletschnass.“ Glücklicherweise gehören zum Gehfußball aber auch – fliegende Wechsel.
In England 800 Vereine, in Holland ganze Ligen
Beim englischen FC Chesterfield wurde Walking Football 2011 entwickelt, heute gibt es 800 Vereine in dem Land. Der ganze Grund ist: Leute, vor allem frühere Spieler, können ihrem Spaß am organisierten Fußball viel länger nachgehen, eben, als bisher – der älteste Mitspieler in Wanheim ist 70. Und die Gefahr ist deutlich verringert, sich zu verletzen.
In Holland gibt es komplette Ligen für den Sport, in Deutschland erst einige wenige kleine Vereine, die sich darum bemühen. Aber auch schon kleine Abteilungen bei vier Bundesligisten, darunter Schalke, Wolfsburg und Leverkusen. Manche behaupten aber einfach, Gehfußball gebe es dort doch schon seit Jahren.
Beim SV Wanheim jedenfalls sind zu diesem vierten Abend schon mehr Mitspieler gekommen als zum dritten. Und da waren sie schon mehr als beim zweiten Mal. Aber das kennt man ja eigentlich ganz gut vom Fußball: „You’ll never walk alone.“