Essen. . Ohne die Talsperren wäre die Ruhr längst ausgetrocknet. Bauern, Schiffer, Gärtner: Alle stöhnen. Doch die Trockenheit hat auch gute Seiten

Alle Tage wieder. Der Blick geht zum Himmel über dem Sauerland, und der ist blau. Kaum Wolken, kein Regen. Und wo an den Stauseen sonst das kühle Nass zum Schwimmen, Surfen oder Segeln lockt, kann man derzeit an vielen Stellen einen Spaziergang machen.

Denn die Talsperren des Ruhrverbandes, allen voran Möhne, Sorpe, Henne und Bigge, leisten seit Wochen Schwerstarbeit, damit das Ruhrgebiet nicht auf dem Trockenen sitzt. Das hat die Wasserstände drastisch zurückgehen lassen.

1200 Liter fließen zu, 16.000 Liter fließen ab

Britta Balt muss nur kurz gucken, dann hat die Sprecherin des Ruhrverbandes alle Zahlen parat. Rund 1200 Liter fließen den Stauseen des Verbandes jede Sekunde zu, gestern aber gingen 16.000 Liter in der Sekunde Richtung Ruhr ab, die ohne diese Zuflüsse schon seit Juli trocken wäre.

Niedrigwasser herrscht auch an der Sorpe-Talsperre bei Sundern.
Niedrigwasser herrscht auch an der Sorpe-Talsperre bei Sundern. © MATTHIAS GRABEN

Mittlerweile sind die Talsperren nur noch zu 51,3 Prozent (Stand Mittwoch) gefüllt. Das ist so wenig wie seit Mitte der 1970er-Jahre nicht mehr, „aber das ist alles nicht dramatisch“, beruhigt Balt.

„Wir gehen davon aus, dass es bald regnen wird“

Selbst ohne einen einzigen Tropfen Regen seien in den nächsten Monaten weder Einschränkungen noch Auflagen beim Wasserverbrauch zu erwarten. „Und wir gehen davon aus, dass es bald wieder regnen wird.“

Aber wann ist bald? Bernhard Rüb jedenfalls kann die Prognosen nicht mehr hören. „Jeden Montag kündigen sie Regen zur Wochenmitte an, und dann kommt wieder nichts“, ärgert sich der Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW. „Alles ist staubtrocken.“ Und dieser trockene Herbst, der auf einen trockenen Sommer folgt, hat Folgen. „Für viele Landwirte sieht es nicht gut aus.“

„Wir müssen gießen, gießen, gießen“

Gerade ist das Wintergetreide gesät worden. „Auch das braucht Feuchtigkeit“, sagt Bernhard Rüb. Viel Zeit bleibt demnach nicht mehr. „Die Pflanzen können im Dezember nicht nachholen, was sie im Oktober nicht geschafft haben.“ Weil ihre innere Uhr nach der Tageslänge tickt. „Und im Winter sind die Tage dann einfach zu kurz.“

Bilder wie im Sommer: Oliver Krause gießt Mitte Oktober auf dem Bochumer Hauptfriedhof.
Bilder wie im Sommer: Oliver Krause gießt Mitte Oktober auf dem Bochumer Hauptfriedhof. © Ingo Otto

Die Bauern im Land sind nicht die einzigen, die nach Regen lechzen. Auch den Friedhofsgärtnern beschert die Dürre jede Menge Arbeit. „Es ist Herbst, und wir müssen immer noch gießen, gießen, gießen“, sagt Frank Plöger von der Genossenschaft der Friedhofsgärtner Bochum. „Das habe ich noch nie erlebt.“ Und Plöger macht den Job schon seit fast 20 Jahren.

Borkenkäfer hat sich stark vermehrt

Vor lauter Bewässern muss anderes verschoben werden. „Wir kommen kaum dazu, zu schneiden oder neu zu pflanzen“, sagt Plöger. Zumal auch regelmäßig Blätter von Wegen und Grabstätten entfernt werden müssen. „Es sah ja unter vielen Bäumen im August schon aus wie im Oktober.“

Noch viel schlimmer sieht es in und an vielen Bäumen aus. Zumindest wenn sie große Fichten sind. Denn der Borkenkäfer hat sich dank der Trockenheit explosionsartig vermehrt. „Ein Katastrophenjahr“ sei 2018, sagt Ferdinand Funke, stellvertretender Vorsitzender des Waldbauernverbandes NRW.

Sie wünschen sich Schmuddelwetter

Man komme gar nicht damit nach, die befallenen Bäume aus dem Wald zu holen und in die Sägewerke zu bringen. „Schmuddelwetter“ wünscht sich Funke, mit viel Regen, aber bitte nicht zu kalt. „Denn Kälte macht dem Borkenkäfer nichts aus.“

Aber selbst, wenn sich der Wetterwunsch erfüllt, werde es dauern, bis sich die Wälder von der Käferplage erholt hätten. „Die Forstbetriebe gehen schwierigen Zeiten entgegen.“

Tannenbäume haben Dürrestress besser überstanden

Es gibt aber auch gute Nachrichten in der trockenen Zeit. „Wir sind mittlerweile relativ entspannt“, sagt Eberhard Hennecke, Vorsitzender der Fachgruppe Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger des Landesverbands Gartenbau NRW.

Peter Bielefeld zeigt ein trockenes Gemüsefeld in Dingden.
Peter Bielefeld zeigt ein trockenes Gemüsefeld in Dingden. © Markus Joosten

Erste Zweige haben sie abgeschnitten, ein paar Tannenbäume zu Testzwecken eingeschlagen vor einigen Tagen. Und was soll Hennecke sagen? „Sie haben den Dürrestress offenbar besser überstanden als befürchtet.“

Und der Borkenkäfer kann dem Weihnachtsbaum, der fast ausschließlich Nordmanntanne ist, ohnehin nichts anhaben. Die Qualität der Tannen sei gut, versichert Hennecke dann auch. „Manchmal sogar besser als in den Vorjahren.“ Für manchen Kunden vielleicht noch wichtiger: „Die Preise“, verspricht Hennecke, „bleiben stabil.“

Bauern warnen: Waldbrandgefahr

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Eine Hängematte zwischen zwei Bäumen, darunter eine Feuerstelle. Mitten im Wald. „Leider kein Einzelfall“, sagt Lennart Nüfer, Vorsitzender des Waldbauernverbandes in Hagen, Dortmund und dem Ennepe-Ruhr-Kreis: „Die Leute übernachten hier draußen und machen sich abends Essen oder heiße Getränke. Wenn man sie darauf anspricht, zeigen sie nur selten Verständnis.“ Verständnis für Nüfers Sorge: Waldbrandgefahr in Zeiten der Trockenheit.

Auch die Stromerzeugung durch Wasserkraft wird beeinträchtigt durch die niedrigen Pegel der Flüsse. Im Ruhrgebiet etwa läuft nur eine einzige von vier Turbinen am Kraftwerk in Bochum-Stiepel.

Binnenschiffer fordern Ausgleich für die Dürre

Fachleute für Bäume schauen wahrscheinlich immer unwillkürlich auf Bäume. Jetzt aber besonders. „Trockenheit setzt den Bäumen generell zu“, sagt die Expertin Silke Mattersberger. Sie werden anfälliger für Schädlinge, denn der Mangel an Wasser beeinträchtigt die Produktion von Harz.

Der Pegelstand am Rhein in Duisburg ist auf einen historischen Tiefststand gesunken.
Der Pegelstand am Rhein in Duisburg ist auf einen historischen Tiefststand gesunken. © Ulla Michels

Ähnlich wie die Bauern, fordern nun auch die Binnenschiffer von der Bundesregierung einen Ausgleich für die Dürre. Denn auf manchen Strecken ist der Betrieb ganz eingestellt, auf anderen – wie dem Rhein – können die Schiffe nicht so schwer beladen werden wie sonst. Die Folge: Einnahmeverluste.

Ein so trockenes Jahr ist automatisch einschlechtes Pilzjahr – soweit bekannt. Jetzt aber weist das „Giftinformationszentrum“ an der Uni Mainz auf einen ganz anderen Zusammenhang hin. Denn weniger Pilze bedeutet auch: weniger Pilzvergiftungen.