Düsseldorf/Oberhausen. . Eine Beauty-Bloggerin hat vor Gericht bestritten, einen Düsseldorfer Schönheitschirurgen erpresst zu haben. „Das ist komplett gelogen“, sagt sie.
Sie kommt mit kleinem Gefolge. Ehemann, Schwester und Freundin hat Nehir Özgür (Name geändert) im Schlepptau, als sie gestern Mittag das Amtsgericht Düsseldorf betritt. Perfekt geschminkt ist die 27-Jährige, sieht sehr apart aus. Weiße Sneaker zu schlichtem Blümchenkleid trägt die junge Frau und eine Bauchtasche von einem Designer. Wie es sich gehört, wenn man über Schönheit und Mode im Internet schreibt oder spricht und angeblich rund 350 000 Menschen das alles lesen oder ansehen. Da kann man nicht in Klamotten aus der Vorsaison kommen – selbst wenn man auf der Anklagebank Platz nehmen muss.
Versuchte Erpressung wirft die Staatsanwaltschaft Özgür vor. Ein Delikt, das so alt ist wie das Strafgesetzbuch, in diesem Fall aber in einer Variante angeklagt ist, die vor wenigen Jahren noch unmöglich gewesen wäre. Laut Staatsanwaltschaft ist die Oberhausenerin im April 2017 in der Praxis des plastischen Chirurgen Mehmet Erdem (Name geändert) in Düsseldorf aufgetaucht, mit dem sie in den Monaten zuvor „kooperiert“ habe. 100 000 Euro soll sie von dem 40-jährigen Mediziner gefordert haben. Schließlich sei der rasante Aufstieg seiner Praxis nur durch ihre Jubel-Berichterstattung in den sozialen Medien möglich gewesen. Aber sie könne auch anders. Wenn er sich weigere zu zahlen, werde sie ihn schlecht machen im Netz, eine Rufmordkampagne starten. Und bei der Polizei werde sie fälschlich behaupten, der Chirurg habe sie während einer OP vergewaltigt.
„Komplett gelogen“, behauptet die Anklage. Sie sei am fraglichen Tag nur in der Praxis erschienen, weil der Chirurg schlecht über sie gesprochen habe. Und weil er bei ihrer Bauch-OP gepfuscht habe. „Ein bisschen Fett“, habe er absaugen sollen, doch als sie wieder wach geworden sei, habe sie ein „Six Pack“ gehabt. „Das wollte ich nicht, ich bin doch eine Frau.“ Woraus für Özgür folgt: „Eigentlich bin ich das Opfer.“
Erdem, vor Gericht kaum weniger stilvoll gekleidet, bekräftigte dagegen seine Erpressungsversion. Eigentlich sei alles sogar noch viel schlimmer gewesen. Lange Zeit habe er „professionell“ mit der Oberhausenerin zusammengearbeitet. An jenem Tag aber seien die Bloggerin und zwei weitere Frauen „wie Furien“ in seine Praxisräume eingefallen. Lautstark habe Özgür erst ein Gespräch unter vier Augen gefordert und in diesem Gespräch dann das Geld verlangt. Nicht nur seine medizinischen Fähigkeiten werde sie sonst anzweifeln, sondern auch behaupten, er unterstütze Terrororganisationen. „Da habe ich echt Angst gekriegt.“ Er habe schließlich viel investiert in seine Praxis in bester Lage. „Und dann kommt jemand und droht, alles kaputt zu machen.“
Aussage steht gegen Aussage -- Zeugen sollen helfen
Sein Anwalt habe dennoch abgeraten, zu zahlen. Daraufhin habe er einen Vermittler eingeschaltet, der entfernt mit Özgürs Mann verwandt sei. Ihm gegenüber habe die Bloggerin ihre Forderung auf 60 000 Euro gesenkt, ansonsten aber nicht mit sich reden lassen. Er habe dennoch nicht gezahlt und gehofft, dass die Sache im Sand verläuft. „Ich wollte das so leise wie möglich vom Tisch bekommen.“
Erst scheint sich Erdems Hoffnung zu erfüllen, dann aber – im Sommer 2017 – seien die Beschimpfungen losgegangen. „Da hat sie ihre Drohungen wahr gemacht.“ Im Internet soll Özgür ihn da schlecht gemacht haben und statt seiner mit einem Kollegen posiert haben. Nur der Neue sei zu empfehlen, habe sie geschrieben, bei Erdem habe sie sich leider geirrt. Sorry auch. „Da bin ich dann doch zur Polizei gegangen. Ich habe ja einen Ruf zu verlieren. Und nun sitzen wir hier vor Gericht.“
Weil das Gespräch zwischen Arzt und Bloggerin ohne Zeugen stattfand, steht nun Aussage gegen Aussage. Weitere Zeugen sollen deshalb ab 10. Oktober dabei helfen, Licht in den Fall zu bringen