Bottrop. . Es war der letzte Schnitt im letzten Revier. Prosper-Haniel ist nun inaktiv. Nur für Besucher lassen es die Bergleute noch sporadisch stauben.
„Warste dabei?“
„Ja, scheiße.“
„Scheiße, ne?!“
„Aber gut, wir machen ja noch ein bisschen weiter.“
So verlaufen die Unterhaltungen vor dem Werkstor der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop, wenn überhaupt gesprochen wird über den betriebsinternen Festakt an diesem Freitag. Er markiert noch nicht die letzte Schicht im deutschen Steinkohlebergbau, aber „es war der letzte Schnitt im letzten Revier“, sagt Michael Moers, er muss es wissen als Leitstandfahrer. Einer, der die Hobel und Schrämwalzen von oben steuert ... gesteuert hat. Denn der Hobel ist längst geparkt und blau-weiß angemalt. Und gegen 11.30 Uhr haben sie auch die Walze abgestellt. Bauhöhe 124, Flöz Zollverein.
200 Bergleute gaben der Walze das letzte Geleit
Für wichtige Besucher wird das monströse Schneidwerkzeug noch ein paar Mal durch den Flöz pflügen. „Es soll ja stauben.“ Und es fehlen auch noch 5000 Tonnen bis zum Soll, „aber die werden wir so locker noch zusammenbekommen“, sagt Moers. Der Regelbetrieb aber ist nun zu Ende. 1200 Meter unter Tage war mit Peter Schrimpf und Jürgen-Johann Rupp der RAG-Vorstand dabei, die Werksleitung und etwa 200 Bergleute. Dafür waren am Vortag schon die beiden Schichten ausgefallen um 17 Uhr und für die Nacht. Auf seinem letzten Dienstweg hatte die Walze ein stattliches Geleit von etwa 200 Bergleuten. „Wir sind mit der Walze zum Hauptantrieb gegangen“, sagt Michael Kropmann. Das letzte Geleit sang das Steigerlied.
Nur eine Rate des Abschieds
„Ich musste mir schon eine Träne verdrücken“, sagt Maschinensteiger Mathias Erdmann. „Und guckste in die Runde, hatten sie alle Tränen in den Augen.“ Erdmann ist erst 31 Jahre alt, hat Industriemechanik studiert und sieht beruflich „für mich selber nicht so die Dramatik. Aber die Kollegen ab 45 werden es schwer haben. Wir helfen uns auch gegenseitig bei Bewerbungsschreiben, lesen gegen, treffen uns.“ Der heutige Tag, er ist für Erdmann nur eine Rate des Abschieds. Am Montag kommt Ministerpräsident Armin Laschet. Am folgenden Samstag nimmt die Katholische Arbeitnehmerbewegung Abschied auf der Halde Haniel. Vor Weihnachten bekommt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das letzte Stück Kohle. „Man bekommt immer vor Augen geführt: Das Ende ist nah“, sagt Erdmann. „Zuhause werde ich es wieder verdrängt haben.“
So sehen es viele. „Für mich sind das alles auch nur offizielle Abschiede“, sagt Jörg Laftsidis. „Für mich wird es persönlich, wenn ich das letzte Mal gestempelt habe und mein Köfferchen packe.“ Am 21. Dezember wird das sein für ihn wie für die meisten Kumpel, die weiter einfahren, um auszuräumen, zu sichern und Besucher zu führen. „Morgen kommt man wieder ganz normal zur Arbeit.“
Maschinenschlosser Abdelali Zalmate hat etwa die Transportkatzen unter Tage gewartet im „P-Bunker“. Nur ist dieser Geräteschuppen schon gesichert, „es ist ein Damm davor. Jahrelang habe ich dort gearbeitet, nun steht man wie der Ochs vorm Berge.“
Die Kumpel, sie sehen zu, wie die Zeche kleiner wird. „Hier hat man den Kontakt“, sagt Jörg Laftsidis. „Wir werden uns wohl nicht oft besuchen. Wir wohnen ja weit auseinander.“
„Es ist das Schlimmste, dass die Kultur stirbt“, sagt Adam Mrozek von Gliszczynski.
„Es war scheißegal, welche Herkunft, Hautfarbe oder Rasse du hast“, erklärt Muri Port. „Du kannst dich verlassen auf deinen Kollegen. Schwarz bist Du wie er.“
„Wir hatten 8000 Auszubildende. Früher biste in der sechsten, achten Klasse abgegangen, weil du keinen Bock auf Schule hattest“, sagt Laftsidis. „Aber ich habe viele Hauptschüler gesehen, die haben mit eigenen Händen ein Haus gebaut und es steht wie eine Eins.“
Einige Kumpel grüßen locker, die meisten eilen vorbei, zum Parkplatz, die Nase im Handy wie zum Schutz.