Ruhrgebiet. . Das Ruhrgebiet sah bereits elf Schließungen. In Bottrop eröffnet jetzt das Moses im ehemaligen Karstadt-Gebäude. Andere Kommunen lassen abreißen.

Sie haben sich den Bottropern schon nett vorgestellt, haben Märkte besucht und Sekt gereicht. Sie sind durch die Straßen gezogen und haben geguckt, was es nicht gibt in der Stadt: Leder fiel auf, Taschen, Koffer, Betten, Bettwäsche.

„Und deshalb haben wir dann 700 Quadratmeter Bettwäsche“, sagt Norbert Wittenberg, Miteigentümer der Kaufhaus-Kette „Moses“. Sie betreibt in deutschen Mittelstädten 16 Häuser. Bald 17: Am 27. September öffnet in Bottrop ein neues Kaufhaus. Wirklich.

Die ersten Kaufhäuser kamen in den 1890er-Jahren an

Die anderen schließen, Moses macht auf. Dass irgendein Kaufhaus eröffnet im Ruhrgebiet, das ist sehr lange her. Die ersten aber kamen schon in den 1890er-Jahren an unter den Namen „Althoff“, „Tietz“ oder „Karstadt“: Bottrop (!) 1893, Recklinghausen 1893, Essen 1894, dann viele weitere. Dortmund erst 1904, dafür aber als erstes Warenhaus überhaupt mit Lebensmittelabteilung.

Die Nazis arisierten den jüdischen Kaufleuten Tietz die Häuser in den 30er-Jahren weg: Die von Leonhard Tietz bildeten den Grundstock von „Kaufhof“, die von Hermann Tietz wurden zu „Hertie“ – wie der Name schon sagt.

Fünf Große in der Bundesrepublik

In der Bundesrepublik dann gibt es die fünf Großen. Das sind Karstadt, Kaufhof, Hertie (mit den typischen Lamellen-Fassaden), Horten (mit den typischen Kachel-Fassaden) und Quelle, Wertheim existiert daneben, Woolworth, die Kaufhalle.

Doch in den 90er-Jahren ist die Party zu Ende: Unter dem Druck des Wettbewerbs, riesiger Märkte von Spezialanbietern und später des Online-Handels fusioniert praktisch jeder mit jedem. Horten geht im Kaufhof auf, Wertheim und Quelle landen bei Hertie, welches dann zu Karstadt, die jetzt mit dem Kaufhof zu – ja, was eigentlich werden?

Riesige Kästen in bester Lage

Und so kamen seit 2009 allein im Ruhrgebiet elf verlassene Kaufhäuser auf den nicht vorhandenen Markt. Riesige Kästen in bester Lage mit unklaren Besitzverhältnissen, so groß, wie sie kein Unternehmen mehr braucht.

Ein Jahrzehnt später aber, muss man auch sagen, haben viele eine neue Nutzung gefunden; andere sind abgerissen, Zweifelsfälle nur noch selten. Und die neue Gestalt, die sie annahmen, ist fast überall dieselbe.

„Linden-Karree“ in Gelsenkirchen gilt als Vorbild

So wie im „Linden-Karree“ in Gelsenkirchen-Buer, das als Vorbild gilt, da eine Gruppe Bueraner Bürger den geschäftsschädigenden Leerstand inmitten der Fußgängerzone selbst in die Hand nahm und beseitigte. Die jetzt auch nicht mehr ganz neue Aufteilung alter Kaufhäuser in Einzelhandel, Büros, Gastronomie und (teilweise) Wohnraum ist typisch und ein Weg, den jetzt die Nachzügler ebenso einschlagen.

Investoren bauen bald auch die früheren Häuser Hertie in Herne und Karstadt in Recklinghausen entsprechend um. In Mülheim, Gladbeck, Dortmund und Essen sind leere Kaufhäuser abgerissen worden, in Velbert hat die Stadt jetzt selbst eines gekauft: Was daraus wird, weiß man noch nicht so recht.

„Neun Uhr? Sind denn dann schon Leute da?“

Das gilt natürlich auch für „Moses“ in Bottrop, für die Neuen. Norbert Wittenberg, der Eigentümer jedenfalls ist zuversichtlich, sonst würde er ja auch gar nicht erst eröffnen. Am 27. September geht es ohne großen Schnick und Schnack um 9 Uhr los.

Wittenberg zitiert an dieser Stelle gern Bernd Tischler, den Oberbürgermeister: „Neun Uhr? Sind denn dann schon Leute da?“ Wenn nicht, sagt Wittenberg, „dann brauchen wir gar nicht erst aufzumachen“. Das Gesamtgebäude, das noch mehr Geschäfte enthält, heißt übrigens „Althoff Arkaden“ – nach dem Kaufhaus Althoff, das hier stand, bevor es Karstadt wurde . . .