Essen. . Elodea verstopft seit rund zwei Jahrzehnten die Ruhrseen. Alle Versuche scheiterten, sie zu entfernen. Jetzt startet ein neues Forschungsprojekt

Während die Musikdampfer „Heisingen“ und „Stadt Essen“ am Südufer des Baldeneysees noch ausschlafen, ist das kleine, namenlose Mähboot H/TS-900-CR bereits erkennbar im Dienst. Zwei Bootsführer lenken es an den Anleger, acht Taucher gehen an Bord. „Der Plan ist: wie besprochen“, sagt Peter van Treeck vom Tauchsportverband NRW in die Runde.

Die Taucheranzüge haben sie schon an, zwei Frauen, sechs Männer, die Sauerstoffflaschen wuchten sie noch im Sitzen auf den Rücken (und sagen dann gern: „Hilf mir mal hoch“). Anschließend setzt sich einer nach dem anderen auf den Bootsrand und geht rückwärts über Bord. Absichtlich, versteht sich. Weg sind sie. Glückauf!

Sie wirbeln Schlamm auf im Dienst der Forschung

Sie tauchen für die Wissenschaft, wühlen Schlamm auf im Dienst der Forschung. Es geht gegen die „Schmalblättrige Wasserpest (Elodea)“: Sie wächst im Sommer in allen Ruhrseen zwischen Hagen und Kettwig mehr oder weniger bis zur Oberfläche und stört, ja verhindert Wassersport.

Viele der über 50 Yacht-, Segel-, Kanu- oder Rudervereine an der Ruhr haben damit Probleme, ebenso Bootsverleihe und Regatten. Der „Ruhrverband“ will die Pflanze daher entschlossen vertreiben, wie schon seit 18 Jahren.

Zusammen mit dem NRW-Umweltministerium

Sechs Mähboote wie dieses bräuchte der Ruhrverband allein auf dem Baldeneysee, um mit dem Mähen einigermaßen nachzukommen.
Sechs Mähboote wie dieses bräuchte der Ruhrverband allein auf dem Baldeneysee, um mit dem Mähen einigermaßen nachzukommen. © Ralf Rottmann

Nachdem die langjährigen Methoden „Mähen“ und „Fressfische aussetzen“ ein bisschen kläglich gescheitert oder zumindest nicht nachhaltig sind, greift der Verband nun zum großen Besteck; zusammen mit dem NRW-Umweltministerium zum Forschungsvorhaben „Elodea II: Erprobung und Bewertung innovativer Methoden zur Eingrenzung des massenhaften Wachstum von Elodea nuttallii in den Ruhrstauseen“.

Doch auch die großen Vorhaben der Menschheit fangen klein an. Die Aufgabe der Taucher ist es an diesem Morgen, rund um gelbe Bojen im Baldeneysee im Radius von fünf Metern alle Elodea auszureißen.

Seit’ an Seit’ sind sie unterwegs unter Wasser, man kann das sehr schön erkennen an den Luftblasen, die aufsteigen in einer sich kreisförmig fortbewegenden Reihe. Und ab und zu zeigt sich eine entleibte Elodea an die Oberfläche und zeugt vom Fortschritt des ruppigen Geschehens.

„Plötzlich hast du eine Flosse im Gesicht“

Leicht ist das nicht: Die Taucher bewegen sich auf Knien unter Wasser, und sie sehen wegen der aufgewirbelten Ablagerungen reineweg nichts. „Optik? Welche Optik?“, sagt einer, als er wieder oben ist. Und ein anderer: „Plötzlich hast du eine Flosse im Gesicht.“

Der Plan ist: Auf den kahlen Stellen soll nun ein Biologe „Armleuchteralgen“ ansiedeln – bitte keine Witze über Namen an dieser Stelle. Diese Alge wächst nicht so hoch, dass sie mit Booten in Berührung käme, und sie soll den Boden beschatten, damit Elodea ausbleibt.

„Da wäre eine Menge gewonnen“

Ins Wasser geht es immer rückwärts: Mit dem Gewicht auf dem Rücken ist das am einfachsten.
Ins Wasser geht es immer rückwärts: Mit dem Gewicht auf dem Rücken ist das am einfachsten. © Ralf Rottmann

„Wenn das gelingt, ist es ein Beispiel für alle anderen Flachwasser-Seen in NRW“, sagt der Pressesprecher des Ruhrverbandes, Markus Rüdel; Taucher Peter van Treeck meint: „Da wäre eine Menge gewonnen.“ Auch er konnte im Juli/August sein Segelboot wegen Elodea nicht nutzen: „Da liegt dann eine Matte von vier Metern Tiefe, man käme nicht durch, auch nicht mit Außenbordmotor.“

Das Mähboot, das ausschaut wie ein Mähdrescher auf einem blauen Boot, bringt die Taucher in der fortgeschrittenen Mittagszeit zurück zur Anlegestelle. Gesprächsthema freilich ist nicht die Alge, sondern der Müll, den sie im dunklen Wasser ertasteten.

Mindestens eine Bierflasche, einen Autoreifen und eine . . . hmmm, was könnte das sein? Gemeinsames neugieriges Abtasten ergab: eine Spüle. Mitten im See, weitab vom Ufer! Das wäre mal ein Forschungsvorhaben: „Wasserpest III“ oder so.