Duisburg. . Nach Duisburg-Hochfeld sind in kurzer Zeit rund 5000 Bulgaren und Rumänen gezogen. Im Stadtteil ballen sich nun die Probleme.

„Eine Apfelschorle bitte.“

Das Mädchen schaut zu seiner Freundin. „Apffflll ...?“

„Ja, eine Apfel-schor-le.“

Die Bedienungen kichern. Kennen sie nicht.

„Okay, dann eine Cola.“

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Wir sitzen vor der Bar 21 in Hochfeld, einem Viertel Duisburgs, in dem die „Lebenswirklichkeit anders aussieht“, wie Oberbürgermeister Sören Link jüngst kritisierte. Die Stadt registriere „einen massiven Verfall in den Stadtteilen, in denen die Zuwanderer aus Südosteuropa geballt auftreten“. Link meint EU-Bürger: Bulgaren und Rumänen, viele aus der Volksgruppe der Roma, die sich seit 2014 frei in Europa niederlassen dürfen. Allerdings verteilen sie sich nicht gleich, 19 000 sind in Duisburg gemeldet, dreimal so viele wie in Gelsenkirchen oder Essen. Die Ärmsten und am geringsten Gebildeten konzentrieren sich mit je 5000 Personen auf Hochfeld und Marxloh – und hier auf wenige Straßen.

Unrat in der Straße prägt das Bild

Das Beet vor der Bar 21 ist fast flächig bedeckt mit Kippen, Kaffeerührern, künftigem Mikroplastik. Kinder lachen, Jugendliche lungern, Lederjacken beobachten. Ein Junge zielt mit seiner Plastikknarre breitbeinig auf fahrende Autos.

„Die brettern hier manchmal mit 80, 90 durch und die Stadt macht nichts“, sagt Karlheinz Ismaili, einer der wenigen Deutschen, die noch in dem Quartier zwischen Brückenplatz und Pauluskirche wohnen. Er lebt von Hartz IV, beschreibt sich als die gute Seele des Viertels, der SPD nahe, hilft bei Anträgen und Wohnungssuche. Aber auch Ismaili sagt: „Hier war alles sauber, man konnte durch die Parks gehen. Heute sind dort viele Kinder, aber auch viele Drogen.“

Karl-Heinz Ismaili (60), Hochfelder aus sozialer Überzeugung.
Karl-Heinz Ismaili (60), Hochfelder aus sozialer Überzeugung.

Auch seine rumänischen Freunde störe es sehr, sagt Ismaili, dass bis in die Nacht so viel Krach gemacht werde. „Und um 6 Uhr geht es wieder los.“ Er meint den Arbeiterstrich vor der Bar 21. „Zweimal hupen bedeutet: Ich brauche zwei Männer.“ „Hier ist auch das Zentrum für Massenkeilerei.“ Um Banden gehe es nicht. „Die sitzen hier und hauen sich die Birne zu. Dann kann man die nicht mehr bremsen.“ Aber gegenüber hängt eine deutsche Flagge? „Das ist der Valentin, ein Rumäne, gut integriert, der lässt sich jetzt einbürgern.“

Viele Klingelschilder zeigen noch die alten deutschen Namen, andere mit vier Einträgen pro Wohnung die Überbelegung. Geister-Schilder wie „Trinkhalle“, „Diebels“ oder „Sinalco“ schaffen eine Wild-Südost-Atmosphäre, denn die Läden sind längst dicht oder man spricht Romanes. Das bulgarische Lebensmittelgeschäft ist spärlich bestückt, davor im Rinnstein: Capri-Sonne, Tempos, Toffifee.

Reinigungsklasse „K“

Ein typischer Anblick - trotz der häufigen Reinigung durch die Stadt.
Ein typischer Anblick - trotz der häufigen Reinigung durch die Stadt. © Lars Heidrich

Die Stadt hat reagiert mit der Reinigungsklasse „K“. Zweimal Fahrbahn und viermal Gehweg pro Woche. Die Gebühren liegen nun bei 23,84 Euro pro Meter Hausfront, aber billig war das Leben in den Schrotthäusern nie. Die Bewohner finden keine andere Bleibe, wissen es nicht besser oder sind in den Fängen einer Bande, die ihnen über die Miete das Kinder- oder Schwarzgeld wieder abnimmt.

„Ein Nazi bleibt nicht hier wohnen“, sagt Willi K.
„Ein Nazi bleibt nicht hier wohnen“, sagt Willi K.

Das Carré wird begrenzt von serbisch geführten Lokalen. Gegenüber ein grün-grauer Wohnblock mit einer Menge Deutschlandfahnen. In einem schwarz-rot-gold bekränzten Pavillon sitzt Willi K., 65, in bunter Runde. „Soll jeder wissen, dass hier Deutsche wohnen. Unsere Nachbarn sind Schwarze, Türken, Tamilen. Die kennen Sauberkeit. Es gibt Bulgaren, die sind voll in Ordnung, aber wenn man manchen sagt, sie mögen den Platz sauber halten, ist man direkt Nazi . . . Ein Nazi bleibt nicht hier wohnen.“

Ja, in Hochfeld leben noch Architekten, Rechtsanwälte, Manager. Ein gutes Dutzend hat den Verein „Zukunftsstadtteil“ gegründet. Mit den Wirtschaftsbetrieben wollen sie etwa Nachbarn von Dolmetschern begleiten lassen, um zu erklären, wie Sperrmüll funktioniert. „Die reden nicht mit uns, dann reden wir mit denen“, sagt Architekt Heinrich Hendrix. Er sieht auch für den Wohnungsmarkt Hoffnung. „Die Lage ist super, entscheidend ist die Qualität.“ Seine Wohnungen habe er hochwertig im Berliner Stil renoviert und finde bei 5,60 Euro pro Quadratmeter gute Mieter. So versuchen es auch die anderen Eigentümer im Verein.

Die Fassade bröckelt

Ein Frauenzentrum, die Internationale Initiative Hochfeld und mehr als ein Dutzend Sozialhelfer der Stadt versuchen ebenfalls, die Lage zu drehen. Doch viele förderfähige Projekte aus dem Handlungskonzept sind noch nicht beantragt. Auch das längst versprochene neue Jugendzentrum ist nicht in Sicht. Wer bei der Entwicklungsgesellschaft Duisburg in die Beratung will, muss den Nebeneingang benutzen. Die Fassade bröckelt, ist abgesperrt. Der türkische Besitzer soll das Haus gut gepflegt haben, hört man, aber vor drei Jahren habe er es wegen der fallenden Preise an einen Ukrainer verkauft. Nun arbeitet die Entwicklungsgesellschaft in einer Schrottimmobilie.

Duisburgs OB Link fordert Gesetzesänderung bei Kindergeld