Ruhrgebiet. . Zwischen Dortmund und Bottrop sind der Kanal und seine Pumpwerke fertig. Ab Ende September soll der Fluss durchs Revier stetig sauberer werden.
Es soll schon bald eine Freude sein, an der Emscher zu wohnen, doch in diesem Super-Sommer ist es keine. Nach Monaten der Trockenheit steht schwarze Pampe stinkend in den Köttelbecken – aber es gibt Hoffnung: 35 Kilometer Abwasserkanal Emscher zwischen Dortmund und Bottrop sind fertig, die Pumpwerke auch, in vier Wochen wird geflutet. Dreck und Duft sind dann nicht weg, aber nach und nach unter der Erde.
Noch sieht es sauber aus dort unten, 35 Meter tief unter Bottrop, am Boden des noch unbenutzten Pumpwerks. Die 80 Zentimeter dicken Pumpen blau und weiß und frisch lackiert, der Beton hell, der Edelstahl in neuem Glanz. Aber das täuscht. Baustellenstaub legt sich auf die Zunge, im Ausgang des fast drei Meter dicken Rohres steht etwas ziemlich altes Regenwasser, auf einem Gitter zwischen Messpunkt 1046 und 1048 liegt eine tote Ratte. Vor allem: Der Geruch ist schon da. Das Klärwerk steht gleich um die Ecke, die Emscher fließt höchstselbst vorbei und nebenan ein Überlauf der Boye, „hier stinkt es immer am meisten“, sagt Ilias Abawi. Der Sprecher der Emschergenossenschaft weiß auch warum: Was in Bottrop ankommt, ist zuvor schon im halben Ruhrgebiet gewesen und eben kein Frischwasser – sondern das, was die Menschen verbraucht haben.
Emscherumbau soll 2021 abgeschlossen sein
Das ist ja das Problem, dem sich die Genossenschaft seit fast 20 Jahren entschlossen entgegenstemmt. Das Revier lässt seine Fäkalien seit eineinhalb Jahrhunderten in einem kleinen Flüsschen schwimmen. Der Emscherumbau soll das bis 2021 beenden, für fünfeinhalb Milliarden Euro wird der Unrat tiefergelegt, der Fluss renaturiert. Für mehr als eine halbe Milliarde entstanden ab Dortmund der Kanal und wegen des Höhenunterschieds in Bottrop und Gelsenkirchen zwei Pumpwerke mit Durchflusskapazitäten von 13 000 Litern pro Sekunde. Größer als fast alle anderen Werke auf dem Kontinent (in St. Petersburg soll eines größer sein).
Fast 11 000 Rohre sind für den Kanal verlegt, zusammen 214 000 Tonnen schwer. Die Emschergenossenschaft nennt das Ergebnis auch gern „Abwasser-Autobahn“, obwohl von Tempo keine Rede sein kann. Mit vier Stundenkilometern, rechnen die Ingenieure, wird das Abwasser von 1,6 Millionen Menschen und der anliegenden Industrie gen Rhein zu den Klärwerken fließen. Das heißt: Wer morgens um acht in Dortmund zur Toilette geht, könnte das Resultat am Nachmittag in Bottrop wiederfinden.
Auch die Luft wird gereinigt
Allerdings darf er gar nicht hinein ins Pumpwerk. Sobald der Schacht, ausgekleidet mit Polyethylen, das 100 Jahre halten soll, gefüllt ist, gehen selbst die Fachleute bloß noch im Notfall hinunter, und dann auch nur mit Atemschutzmaske am Gürtel. Kohlenmonoxid und Ammoniakgase werden laufend gemessen. Den Himmel über dem Revier allerdings wird solcher Dunst nicht mehr erreichen: 33 Abluft-Reinigungsanlagen ziehen die Luft aus dem Kanal, machen sie sauber, bevor sie die Atmosphäre erreicht. Vier Klärwerke tun das ihre mit dem Wasser.
Derzeit wird noch getestet. In Gelsenkirchen ziehen sie Wasser aus dem Rhein-Herne-Kanal, zu überprüfen, ob alles läuft. „Wenn das Abwasser einmal drin ist“, sagt Torsten Frehmann, Manager Mittlere Emscher, „muss es funktionieren.“ Also am 24. September: Dann bewirkt auf der untersten Sohle des Bottroper Pumpwerks ein symbolischer roter Knopf, dass sich zuerst in Castrop-Rauxel die „Fluttore“ öffnen. Nach und nach werden danach weitere Bäche in den Abwasserkanal geleitet, der Hellbach aus Recklinghausen, der Nettebach in Dortmund. . . Ende 2019, nimmt Frehmann fröhlich eine Frage auf, wird es werden, „bis kein Klopapier mehr oben schwimmt“. Fehlen nur noch das Pumpwerk Oberhausen und drei Kilometer Kanal zum Emscher-Glück.