Gelsenkirchen/Herne. . Im Revier teilen sich fast doppelt so viele Bürger ein Bad wie im Bundesschnitt. Spaßbäder ersetzen die Sportbecken: Sie sind wirtschaftlicher.
Die Schieflage der Bäderlandschaft im Ruhrgebiet lässt sich am besten im Sport-Paradies Gelsenkirchen besichtigen, gleich neben der Schalker Arena. Denn das Wasser des 50-Meter-Beckens fließt nur noch an einer Ecke ab – die gegenüberliegende ragt 27 Zentimeter höher. Bergsenkungen haben das Wellenbecken verschoben, nur Dehnungs-Kompensatoren verhindern Rohrbrüche, das Bad-Team arbeitet seit Jahren mit den Missständen.
Doch Gelsenkirchen will seine Bäderlandschaft neu ordnen und diskutiert über ein Konzept, das den Abriss des 34 Jahre alten Baus vorschlägt. Auch das Zentralbad soll fallen, und ein Neubau soll die beiden maroden ersetzen. Der Bedarf ließe sich so wirtschaftlicher decken, zeigt die Studie. Die Wege für die Bürger aber würden wieder einmal weiter werden. So geht es in vielen Städten seit Jahren.
Oberhausen landet auf dem letzten Platz
Deutschlandweit musste seit 2000 jedes zehnte Bad schließen, so die „Deutsche Gesellschaft für das Badewesen“ mit Sitz in Essen. Und das Ruhrgebiet steht ohnehin weit abgeschlagen da, was die Bäderdichte angeht. Hier müssen sich etwa 29 000 Bürger ein Bad teilen, fast doppelt so viele wie im Bundesschnitt. Nun braucht man im Ballungsraum zwar weniger Bäder für die flächendeckende Versorgung als auf dem Land. In Oberhausen aber kommen auf jedes Bad gar 52 000 Bürger.
Schon 2009 setzte die überschuldete Stadt auf Zentralisierung. Die Planer rechneten mit 600 000 Besuchern für das Spaß- und Sportbad „Aquapark“, zuletzt kam nur knapp die Hälfte. „Ich bin nicht mehr zum Behindertensport gegangen, seit mein Verein ans Centro gezogen ist“, erklärt Helga Farsaris aus Dümpten, 87 Jahre alt. „Der Weg war mir einfach zu weit.“
Dennoch sagt Christian Kuhn: „Was die Wasserflächen angeht, ist das Ruhrgebiet genau richtig versorgt.“ Er hat als Geschäftsführer der Deutschen Sportstättenbetriebs- und Planungsgesellschaft in Herne das Bäderkonzept für Gelsenkirchen erarbeitet und betreibt diverse Bäder im Ruhrgebiet vom Wananas in Herne bis zum Maritimo in Oer-Erkenschwick. Kuhn plädiert für die Zentralisierung.
Reine Sportbäder lohnen sich nicht
Sein Hauptargument: Bäder mit Freizeitangebot lohnen sich für die Städte mehr als reine Sportbäder oder gar Lehrschwimmbecken. Denn bei einer „Aufwertung“ des Bades stiegen die Einnahmen stärker als die Betriebskosten. „Aus der Sauna entstehen Gewinne.“ Doch Politiker ließen sich oft von der „Macht der ersten Zahl“ treiben, orientierten sich zu sehr an den Investitionskosten und zu wenig an der Gesamtrechnung, findet Kuhn.
Den Konflikt zwischen Wirtschaftlichkeit und kurzen Wegen aber muss immer die Politik entscheiden, weiß auch er. So mahnen nun Grüne und CDU in der Gelsenkirchener Opposition mehr Standorte an. Besonders für Schulklassen ist die Anreisezeit wichtig. Christian Kuhn hat auch hier einen Vorschlag: Blockunterricht würde die Wegzeiten minimieren und die Auslastung der Bäder verbessern. In Bremen zum Beispiel leiten auch die Schwimmmeister die Kurse, so dass die teureren Sportlehrer ihre Zeit nicht mit Busfahren verbringen müssen.
Geschlossen wegen Reparaturen - drei Beispiele
Fast jedes zweite Bad in Deutschland ist sanierungsbedürftig. Eine Studie der Uni Wuppertal hat 2016 den Sanierungsstau mit 4,5 Milliarden Euro beziffert. Auch die Betreiber selbst schätzen den Zustand von einem Drittel der Bäder mit den Noten ausreichend, mangelhaft und ungenügend ein, ergab eine Befragung der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen. Im Ruhrgebiet gibt es genügend Beispiele dafür.
Der Notfall
Ein akuter Problemfall ist das Friedrich-Wennmann-Bad in Mülheim. Zweimal kurz nacheinander musste es schließen wegen eines Lecks, davor wegen zu schlechter Wasserwerte, davor, weil die Stromversorgung ausgefallen war. Und das alles seit Juni, im heißesten Freibadsommer. Das Bad gilt als marode. Einige Tage lang hatte zeitgleich auch eine Ausweichmöglichkeit geschlossen, das Naturfreibad Styrum. Hier waren die Wasserwerte zu schlecht.
Die Sanierung
„Klar hätte ich die Badegäste gern bei uns begrüßt“, sagt Jens Vatheuer, Betriebsleiter des Revierparks Vonderort an der Stadtgrenze Oberhausen/Bottrop. Allein: Das Bad liegt trocken. Es wird ausgerechnet im Jahrhundertsommer saniert. Eine Verschiebung war nicht mehr möglich, so kaputt war es. Das Freibad-Monopol in Bottrop liegt nun beim Stenkhoffbad, das die lokale Politik zusätzlich stärken wollte, indem sie allen Schülern freien Eintritt in den Ferien ermöglichte – wie in den 1960er-Jahren.
Der Denkmalschutz
Denkmalschutz für das Hallenbad in Wanne-Süd? „Das wäre total kontraproduktiv wegen der Wohnbebauung, die dort entstehen soll“, ärgert sich Andreas Barzik von der CDU im Bezirk. Vor allem wäre es teuer. Denn das Bad steht ja schon leer, weil es so kaputt ist. „Was soll die Stadt denn damit machen?“ Ähnliche Fragen stellt sich auch Essen zum maroden Grugabad. Das Freibad von 1964 gilt schon seit drei Jahren als denkmalwürdig. Die Stadt verschleppt seitdem die Eintragung.