Bochum. . Der Wohnungsriese Vonovia setzt auf Bochum. Konzernchef Rolf Buch über die neue Konzernzentrale, Kritik von Mieterschützern und den VfL Bochum.
Ein paar Umzugskartons stehen noch in den Gängen, es riecht nach neuen Teppichen und frischem Holz. Vonovia, Deutschlands größter Vermieter, ist umgezogen. An der Bochumer Universitätsstraße steht nun die neue Zentrale des Dax-Konzerns. Vonovia-Chef Rolf Buch erklärt im Gespräch mit Frank Meßing und Ulf Meinke, wie sich das Unternehmen am neuen Standort verändern soll.
Herr Buch, Sie führen Europas größtes Wohnungsunternehmen. Was sagt Ihre neue Konzern-Immobilie in Bochum über Vonovia aus?
Rolf Buch: Natürlich sind mit der neuen Firmenzentrale Botschaften verbunden. Wir haben uns bewusst für ein bescheidenes Äußeres entschieden. Wir wollten keinen Prunkpalast bauen. Unser Gebäude kommt aus der Fabrik und ist aus verschiedenen Modulen entstanden. Dadurch haben wir 30 Prozent der Kosten gegenüber der traditionellen Bauweise gespart. Ähnlich gehen wir übrigens beim Wohnungsbau vor.
Sollten Ihre 1000 Beschäftigten in Bochum nicht stolz auf ihren Arbeitsplatz sein?
Buch: Das können sie auch sein. Für uns ist es wichtig, wie es innen aussieht. Das Geld, das wir durch die Modular-Bauweise gespart haben, steckt unter anderem in besonders guten Möbeln für die Arbeitsplatz- und Büroausstattung. Unsere Mitarbeiter sollen sich jeden Tag freuen, wenn sie ins Büro kommen.
Welche Rolle spielt der Standort Bochum?
Buch: Bei Treffen mit Oberbürgermeister Eiskirch setzt er gerne die Pointe: „Was hat Bochum, was Berlin nicht hat?“ Dass in dieser Stadt ein Dax-Konzern ist, hat Bochum nach dem Weggang von Nokia und Opel und dem Rückzug der Stahlindustrie verdient. Vonovia ist in Bochum groß geworden. Jetzt geben wir ein Ewigkeitsbekenntnis. Da wir Eigentümer der neuen Immobilie sind, ist klar: Wir bleiben. Eine gewisse Symbolik hat auch, dass die Wurzeln von Vonovia nun genau 100 Jahre zurückreichen.
Vonovia ist massiv gewachsen. Kann auch die Firmenzentrale noch größer werden?
Buch: Unser Gebäude ist auf 1000 Mitarbeiter ausgelegt, wir haben aber die Möglichkeit anzubauen.
Vonovia ist Stadion-Sponsor des Fußball-Zweitligisten VfL Bochum. Können Sie sich auch vorstellen, Trikot-Sponsor zu werden?
Buch: Wir haben uns bewusst für das Gebäude entschieden, weil das zu einem Immobilienkonzern passt. Dabei ging es auch darum, Bochum das Ruhrstadion zurückzugeben. Wir haben für unser Engagement einen Fünf-Jahres-Vertrag und sind sehr zufrieden. Die Verantwortlichen in Bochum sind ja überzeugt davon, dass der Verein wieder in die erste Bundesliga aufsteigt. Ich habe da großes Vertrauen.
Die Wurzeln von Vonovia sind zwar im Ruhrgebiet, aber Sie wollen einen europäischen Wohnungskonzern schmieden. Was versprechen Sie sich davon?
Buch: Wohnen ist und bleibt ein lokales Geschäft. Deshalb arbeiten rund 9000 unserer 10.000 Mitarbeiter außerhalb von Bochum, wo unsere Wohnungen sind. Als breit aufgestellter Immobilienkonzern haben wir viele Vorteile. Ein Beispiel: Wir hatten in der Vergangenheit bei den Fliesen für unsere Wohnungen 50 verschiedene Weißtöne. Das ergibt keinen Sinn. Heute sind wir viel effizienter.
Sie kaufen in Österreich und Schweden kräftig Wohnungen und haben eine Partnerschaft in Frankreich gestartet. Wie wichtig ist Ihnen die Internationalisierung von Vonovia?
Buch: In den nächsten Jahren wird die Musik bei Vonovia weiter in Deutschland spielen. Unser Fokus liegt nicht auf bestimmten Ländern, sondern auf Regionen und Zentren wie Berlin, München, Münster oder dem Ruhrgebiet. Dazu kommen jetzt Stockholm, Wien und – wenn sich die Chance ergibt – Paris. Internationalisierung ist kein Selbstzweck.
Sie haben nun 390.000 Wohnungen. Gibt es eine Grenze, damit Vonovia nicht Gefahr läuft, unüberschaubar zu werden?
Buch: Dieses Risiko sehe ich nicht. Im Gegenteil: Durch Größe werden wir effizienter und kostengünstiger. Unser Wachstum ist bei 390.000 Wohnungen sicher noch nicht beendet.
Nervt es Sie, dass Vonovia als größter Vermieter in Deutschland für Fehlentwicklungen in der Branche verantwortlich gemacht wird?
Buch: Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, und wir beklagen uns nicht. Seit dem Börsengang 2013 ist natürlich die Begleitung durch die Medien viel intensiver geworden. Unsere Börsennotierung hat übrigens auch zur Folge, dass wir inzwischen eines der transparentesten Wohnungsunternehmen Deutschlands sind. Uns geht es nicht darum, nur möglichst viel Gewinn zu machen, wir möchten einen gesellschaftlichen Beitrag leisten.
Sie fordern immer wieder mehr Tempo bei der energetischen Sanierung von Wohnhäusern. Der Mieterbund wirft Vonovia aber vor, Modernisierungskosten auf die Mieten umzulegen „bis es quietscht“.
Buch: Ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich nicht mehr wegen Schimmels in unseren Wohnungen kritisiert werde, sondern wegen hoher Investitionen. Seit Opel weg ist, sind wir die Ingenieure von Bochum. Vonovia modernisiert 20.000 Wohnungen pro Jahr. Das ist eine Quote von fünf Prozent, der bundesweite Schnitt bei der energetischen Sanierung liegt bei einem Prozent. Klimaschutz in Gebäuden ist mindestens so notwendig wie auf den Straßen. Häuser sind der größte Erzeuger von Kohlendioxid. Auch deshalb sind wir so aktiv.
Sie stoßen aber vielfach auf Kritik ihrer Mieter, weil es am Ende teurer wird.
Buch: Natürlich machen wir auch Fehler. Ich finde es auch schwierig, wenn wir vor einer Sanierung eine 40-seitige Modernisierungsankündigung verschicken müssen. Wer ein solches Schreiben im Briefkasten hat, macht sich natürlich monatelang Sorgen, dass die Miete steigt. In Frankfurt haben viele Menschen Angst, dass sie die Stadt verlassen müssen, wenn sie einmal ihre Wohnung verlieren. Da müssen wir noch sensibler werden und die Bedürfnisse der Mieter besser berücksichtigen, ihnen mehr Sicherheit geben. Es ist auch wichtig, dass wir bei sozialer Härte bessere Lösungen finden. Um es ganz klar zu sagen: Wir möchten niemanden rausmodernisieren, die Menschen sollen in ihrer Wohnung bleiben können. Hierfür wollen wir enger mit den örtlichen Mietervereinen zusammenarbeiten.
Wieviel schlägt denn Vonovia nach der Sanierung drauf?
Buch: Im Durchschnitt sind es 1,60 bis 1,70 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Deshalb begrüße ich die Initiative von Bundesjustizministerin Barley, die Modernisierungsumlage auf drei Euro pro Quadratmeter begrenzen zu wollen.
Wohnen muss gerade in Metropolen bezahlbar bleiben. Wo liegt aus Ihrer Sicht die Schmerzgrenze?
Buch: Diese Frage muss die Gesellschaft beantworten. Dass die Bürger nicht mehr als 30 Prozent ihres verfügbaren Einkommens fürs Wohnen ausgeben müssen, ist ein vernünftiger Wert. Politik muss aber auch dafür sorgen, dass die Nebenkosten nicht weiter steigen. Auf Gebühren für Müllabfuhr und die Grundsteuer haben Vermieter keinen Einfluss.
Sie sehen sich Betrugsvorwürfen bei Nebenkostenabrechnungen ausgesetzt. Gibt es Verdachtsfälle über die hohen Differenzen zwischen Energielieferung und auf den Zählern abgelesenen Werten in Köln-Bayenthal hinaus?
Buch: Der Vorwurf ist abstrus, selbstverständlich rechnen wir nur das ab, was angefallen ist. Die Zahlungen und Abrechnungen stimmen in Summe auch überein. In Köln-Bayenthal geht es darum, die Leistungen für die einzelnen Mieter aufzuschlüsseln. Da gab es Schwierigkeiten mit den Zählern und Ablesefehler, die aufgeklärt werden müssen. Das dauert manchmal eben seine Zeit.
Ist es vermittelbar, wenn ein Immobilienriese wie Vonovia staatliche Zuschüsse für Wohnungsprojekte erhält?
Buch: Natürlich nehmen wir auch öffentliche Förderung in Anspruch, um modernen Wohnraum zu schaffen. Die Frage ist doch, ob die Leute auf Dauer im Status quo mit schlechter Ausstattung leben sollen und wollen. Wir müssen den Wohnungsbestand immer wieder verbessern, denn wir wollen Ghettobildung vermeiden. Auch wir haben noch Wohnungen, in denen die Toilette in der Küche ist. Da kostet die Miete 2,50 Euro pro Quadratmeter. So kann es auf Dauer nicht bleiben.