Bochum. Teilweise können noch nach Wochen die Duftspuren eines Menschen von den Tieren wahrgenommen werden. Die Schnüffler haben außerdem Spaß daran.

Kurz die Nase in den Waschlappen gesteckt und schon nimmt Henry auf seinem felligen Po Platz. Er ist bereit, seinen Job zu machen und der Witterung zu folgen. Der Deutsch Kurzhaar-Mix ist ein Personenspürhund, auf Englisch „Mantrailer“.

Am anderen Ende der Leine gibt Hundeführerin Ursula Ziesmer Henry den Befehl nach einer versteckten Person zu suchen, schon läuft er los. Es wird heute nur ein kurzer Trainingslauf an der Ruhr-Universität Bochum. Doch das ist den Mantrailing-Hunden egal. Hauptsache die Super-Schnüffler können ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen.

Immer der Nase nach: Der Spürhund liest keine Fährten

Schnurstracks marschiert Henry an den Studenten vorbei. Auch die duftende Pommesbude interessiert ihn nicht. „Er ist ein Fundhund und normalerweise sehr geräuschempfindlich, doch das blendet er bei der Suche aus. Die Hunde sind in einer Art Tunnel“, erklärt Besitzerin Ursula Ziesmer. Henry arbeitet ausschließlich mit der Nase, das unterscheidet den Spürhund vom Fährtenhund: Die Spur, die Henry verfolgt, besteht aus mikroskopisch kleinen Hautschuppen, die bei jedem Menschen anders riechen.

Henry und sein Fräuchen sind ein starkes Team.
Henry und sein Fräuchen sind ein starkes Team.

„Durch die Thermik steigen die Geruchspartikel von unserem Körper auf und wir ziehen sie wie einen Schweif hinter uns her“, sagt Ziesmer, die seit 15 Jahren trailt und auch andere Hundebesitzer in dem Sport ausbildet. Die Schüppchen sinken hinter dem Menschen zu Boden und bleiben im besten Fall genau dort liegen. Für Menschen ist die Spur unsichtbar, doch für Henry zieht sie sich wie ein roter Faden über das Gelände der Uni.

Mantrailing

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    Umwelteinflüsse lassen Spuren verblassen

    Regen oder Wind können die Duftspuren jedoch verwischen. „Die Partikel können verwirbelt werden und neben dem Weg landen, den die verschwundene Person gegangen ist“, erklärt Ziesmer. Für Henry ist das dann Schwerstarbeit. Auch Verkehr oder viele Menschen lassen die Geruchsspuren verblassen.

    Henry muss sich an der Uni deshalb besonders intensiv konzentrieren, um aus all den Einflüssen die richtige Duftnote herauszufiltern. Suchend manövriert er zwischen den Studenten hindurch. Schnüffelt hier, schnüffelt dort. Man spürt: Wenn ihm die Duftspur deutlicher um die Nase weht, zieht der Rüde das Tempo an.

    Am anderen Ende des Duftpfades wartet derweil Heike Nun-Bötzel auf ihre Rettung. Natürlich ist sie nicht ernsthaft in Gefahr, sie spielt nur das Opfer. Henry nähert sich ihr mit großen Schritten. Hundeführerin Ursula Ziesmer hat ihre Trainingspartnerin schon erspäht. Henry kreist noch. „Zum Schluss ziehen die Hunde immer engere Kreise um die Quelle des Geruchs“, sagt Ziesmer. So lange, bis Henry mit der Nase auf die Vermisste stößt.

    Hunde haben Spaß an der Arbeit

    Das Geschirr kennt Henry schon. Er freut sich auf die Arbeit.
    Das Geschirr kennt Henry schon. Er freut sich auf die Arbeit.

    Die Ruhr-Uni ist ein gutes Trainingsgelände, hier gibt es Grün und Asphalt. Beim Training mit neuen Hunden beginnt Ziesmer immer auf Naturboden. Erde, Blätter – alles speichert Düfte verschiedenster Art. „Das regt die Hunde zum Schnüffeln an.“ Dabei stoßen sie auf den Duft, den sie suchen sollen. Außerdem weiß Ursula Ziesmer beim Training stets welchen Weg das „Opfer“ nimmt. Sollte sich der Anfänger-Hund verzetteln, kann sie ihn wieder auf die Spur bringen. Findet der Hund die Person, gibt es eine Belohnung. „Das müssen nicht immer Leckerchen sein. Manche Hunde werden von ihrem Spielzeug motiviert oder von der Arbeit an sich.“

    Die Trails werden im Laufe des Trainings immer länger und die Spuren älter. Henry schafft es nach jahrelanger Erfahrung Hautschüppchen aufzuspüren, die bereits Wochen alt sind – eine verblüffende Fähigkeit, die sich auch die Polizei zunutze macht. Vor acht Jahren suchte die Polizei noch drei Wochen nach dem Mord an dem Dattelner Geflügelzüchter Klaus Kandaouroff mit „Mantrailern“ die A43 ab, die sie extra sperren ließ. Die Täter wurden später per Aktenzeichen XY geschnappt, aber eine wahrnehmbare Spur hatten sie offenbar sogar aus einem fahrenden Auto heraus hinterlassen, zumindest ein Stück weit: Hunde mit Superkräften.

    Ein Hobby mit Potenzial

    Mantrailing kann auf drei verschiedenen Ebenen betrieben werden. Als Hobby ganz ohne Prüfungen. Diese gehören hingegen zum sportlichen Mantrailing dazu. Wen dieser Aspekt reizt, der muss zuvor die Begleithundeprüfung ablegen. Für die Einsatzebene sind alle drei Level der sportlichen Prüfung die Voraussetzung.

    So hilft auch Ziesmer, wo sie gebraucht wird. Vor zwei Jahren fand das Gespann einen verschollenen Rentner. Dieser lag zwei Tage allein im Wald, bevor Henrys Spürnase ihn erschnüffelte. „Das war ein toller Moment. Ich liebe die Arbeit mit den Hunden und kann gleichzeitig noch Menschen helfen. Das liegt mir als gelernte Krankenschwester im Blut.“ „Außerdem stärkt der Sport die Beziehung zwischen Mensch und Hund.“ Während der Suche kommunizieren die beiden allein über die Leine und Ziesmer muss Henrys Nase vertrauen, Kontrolle abgeben und den Vierbeiner machen lassen.