Essen. Durch einen Reitunfall verlor Stephanie Dierschke ihr Augenlicht. Nach einer Behandlung in Essen arbeitet sie nun wieder als Konrektorin.

Vielleicht war Dr. Barbara Schaperdoth-Gerlings nicht ganz ehrlich in dem Moment, als Stephanie Dierschke aus dem Krankenbett ihre Hand griff und sie fragte: „Ich möchte in meinen alten Beruf zurück. Schaffen wir das?“ „Okay, das schaffen Sie“, sagte die Augenärztin.

Das war mutig, aber wahrscheinlich das einzig Richtige angesichts einer Patientin mit zertrümmertem Gesicht und verlorenen Augäpfeln, die gerade in der Uniklinik Essen künstliches Koma und Hirndrainage hinter sich hatte. Und wenigstens sollte Schaperdoth-Gerlings Recht behalten.

„Es hätte viel schlimmer kommen können“

Denn neun Monate nach ihrem Unfall kehrte die Konrektorin Stephanie Dierschke (33) an ihre Hauptschule in Mönchengladbach-Rheydt zurück: blind, aber heute ist sie die wohl einzige blinde Schulleiterin in Deutschland. „Mir geht es gut“, sagt sie. Und möchte fortan anderen Erblindeten in Essen mit ihrem Rat und Zuspruch beistehen. „Es hätte viel schlimmer kommen können. Einen halben Zentimeter höher, und ich läge jetzt in einem Pflegebett.“

Als Kind war sie ein richtiges Pferdemädchen, der Unfall einer mit Pferd: Sie wurde im Juli 2016 aus dem Sulky geschleudert, ein Huftritt des Pferdes vorn zertrümmerte ihr Gesicht. „Meine berufliche Perspektive hat mir sehr geholfen“, sagt Stephanie Dierschke heute. Noch aus dem Essener Krankenbett hatte sie ihren Schulrat angerufen, um ihm zu sagen: „Ich kann nur nicht mehr sehen, aber ansonsten möchte ich gerne wiederkommen.“

Netzwerk half mit seinen Kontakten

Stephanie Dierschke will künftig anderen beistehen, die als Erwachsene erblinden.
Stephanie Dierschke will künftig anderen beistehen, die als Erwachsene erblinden. © Lukas Schulze

Und das gelang, allen Bedenken der Bezirksregierung zum Trotz, ob man sie nicht pensionieren müsse angesichts einer vermutlich endlos langen Reha. Neun Monate sollten es am Ende sein vom Unfall bis zum Wiedereintritt in die Schule.

Dabei gilt die Wiedereingliederung spontan erblindeter Erwachsener in Deutschland als schwierig. „Wir haben dieses Netzwerk“, sagt Augenärztin Schaperdoth-Gerlings: das „Sehenswerte Netzwerk Essen“ mit all seinen Kontakten und das anlaufende „Modellprojekt Rundblick“, welches Stephanie Dierschke als Pilotpatientin betrachtet.

Sie sucht eine sehende Reitbegleitung

Frau Dierschke, wie funktioniert das an der Schule? „Manchmal hört man so ein Geflüster von den Kindern: Cool, wir haben eine blinde Schulleitung“, sagt sie. Von ihren Fächern musste sie sich nur von Mathe trennen: „Bringen Sie einem Sehenden mal Geometrie bei.“

Ansonsten kann sie ganz normal Konferenzen leiten („Mein Gedächtnis ist viel besser geworden“), Zeugnisse unterschreiben mit der Schablone und unterrichten sowieso. Ach so: Was Stephanie Dierschke gerade sucht, ist eine sehende Reitbegleitung für sie als eine Blinde. Das gibt es. Das hat sie früher selbst gemacht.

Weitere Informationen: www.sehbehindertentag-essen.de