Dortmund. . Christa Kleinhans, heute 80, stürmte in ihrer Jugend für Fortuna Dortmund und eine Nationalmannschaft, die es nicht geben durfte.
Antritt, Schuss, Tor. Mit offenem Mund starren die Kinder durch das Netz auf den Bolzplatz, sie hatten der Schützin ihren Ball nur geliehen. Die soll schon 80 sein? Und seit über 50 Jahren nicht mehr gespielt haben? Christa Kleinhans aber schüttelt amüsiert den Kopf, ein bisschen unzufrieden mit sich selbst: „Christa, wo bleibt denn dein Hammer?“
Oh ja, den hatte sie damals, bei Fortuna Dortmund 1955; „fragen Sie mich nicht, wie viele Tore ich gemacht habe. Sehr viele“. Rechtsaußen war sie, gerade 18, „schusskräftig“ und schnell, sie kam ja von der Leichtathletik: 100-Meter-Lauf. Christa Kleinhans sei „eine der größten bundesdeutschen Fußballerinnen“, schreibt das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund über sie. Es schreibt aber auch: „Leider etwas vor der Zeit.“ Und „leider inoffiziell“.
Es war nämlich so, von den 50er-Jahren bis 1970 (!): Der Deutsche Fußball-Bund hatte den Frauenfußball verboten. „Hirnrissig“, sagt Christa Kleinhans, es empört sie bis heute vor allem das Warum: „Ästhetische Gründe.“ Im Kampf um den Ball, fabulierte der DFB, „verschwindet die weibliche Anmut. Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand“. Schlimmer noch, Treten und Spreizen der Beine könnten die Sexualorgane verschieben. Handballspielen war übrigens erlaubt.
Das war der Damen Glück: Heimlich kickten sie auf Handballfeldern, etwa in Schwerte, und falls die Ehemänner Autos hatten, reihten sie die um den Platz und machten mit den Scheinwerfern Flutlicht. „Immerhin konnten wir 20 Minuten spielen“, sagt Christa Kleinhans, länger reichten die Batterien nicht. Stets waren „wir Mädchen“ auf der Suche nach Wiesen, im Hoeschpark trampelten sie die Maulwurfshügel platt, bis der Wächter wütend nahte. Es kam ja vor, dass die Polizei sie vertrieb!
Und doch, „was bin ich froh, dass ich diese Zeit erlebt habe“! Die kleine Christa, die einst mit dem Vater zum Fußball ging, Hörder SC, und so gern selbst spielen wollte. . . Manchmal kickte sie mit den Jungs, „Straßenecke gegen Straßenecke“, sie war gut, „sonst hätten die mich ausgebootet“. Die echten Herren allerdings haben sie beim Probetraining „geschnitten“, „stinkig“ war sie da und ging nur einmal hin. Als der Tag kam, dass sie doch eingeladen wurde zu einem Frauen-Team, erst zu „Grün-Weiß“, dann zur Fortuna, „da wurde ein Kindheitstraum wahr. Was für ein Gefühl! Wie Weihnachten die ganzen Jahre zusammen“.
Christa Kleinhans spielte wie viele andere bei quasi illegalen Frauen-Vereinen, die sich gründeten. Blau-Weiß Oberhausen, DFC Bochum, Gruga, Kickers und Rhenania Essen, und da war diese inoffizielle Nationalmannschaft, die es eigentlich auch nicht gab. 150 Spiele machte Christa Kleinhans für sie bis 1965. Und das schönste war jenes legendäre in München, März 1957, 4:2 gegen eine holländische Auswahl: Die Postbeamtin traf zweimal. Und freut sich bis heute über die vielen Menschen, die zum Gucken kamen, „wie die Trauben hingen sie an der Straßenbahn“. Es müssen ansehnliche Partien gewesen sein, „wir hätten nicht zehn Jahre gespielt, wenn wir uns lächerlich gemacht hätten“.
Herrenschuhe fürs Damenteam
Zehn Jahre in ein und demselben Paar Fußballschuhe, Herrenmodell. „Da waren noch Stahlkappen drin.“ Leisten konnten sich die jungen Frauen die nicht, viele waren gerade in der Lehre. Ein Sportgeschäft stellte Schuhe, Trikots, Hosen. Die „Mann“schaft stotterte ab: zwei Mark im Monat. Selten halfen die Eltern, weil sie nicht konnten nach dem Krieg oder „auch bekloppt“ waren, wie Christa Kleinhans sagt: „Es ziemte sich nicht.“
Und doch gab es einen, der die Frauen förderte, der die Länderspiele organisierte auf privaten Plätzen, weil es auf denen der Männer-Clubs nicht ging: Josef Floritz. Ihm schenkte das Fortuna-Team zum Dank einen bemalten Bierkrug, „In sportlicher Erinnerung, Die Fußballdamen“. Er ist nun Teil der Ausstellung „Schichtwechsel“ im Fußballmuseum, erzählt die Geschichte eines Sports, der nicht für Frauen war.
Als die Mannschaft sich auflöste, weil sie nach Hochzeiten und Geburten keine Elf mehr war, ging Christa Kleinhans ins Handballtor. Bis heute nimmt die 80-Jährige Treppen im Laufschritt. Und dieser Schuss da eben, knapp über den Kopf des Fotografen: Mag sie sagen, „das Herzblut ist weg“, der rechte Hammer ist noch da.
Das Museum ist dienstags bis sonntags geöffnet, 10-18 Uhr.
INFO: 12. EXPONAT FÜRS FUSSBALLMUSEUM GESUCHT
Elf Ausstellungsstücke zählt die Sonderschau „Schichtwechsel“ bereits; das 12. dürfen die Leser der WAZ beisteuern. Vorschläge bitte an WAZ, Redaktion Rhein-Ruhr, Friedrichstraße 34-38, 45128 Essen (Stichwort: 12. Exponat) oder per Mail an rhein-ruhr@waz.de.