Bochum. . Ex-Geschäftsführer einer Getränkefirma soll mit manipulierten Automaten ein Vermögen ergaunert haben. Er sei ein Strohmann, sagt sein Anwalt

Staatsanwalt Thomas Wieneck darf sich setzen. So viele Namen geschädigter Firmen hat er vorzulesen aus der Anklageschrift, vor allem aber so viele Zahlen, Zahlen, Zahlen; und wenn nicht Zahlen, dann Daten. „Das ist ja auch für Sie sehr anstrengend“, sagt der Vorsitzende Richter Carsten Schwadrat mittendrin. Also weiter im Sitzen: „Adelholzener 3946,75 Euro im Zeitraum vom 18. 7. 2013 bis 28. 2. 2014, Aldi 6013,75 Euro im Zeitraum vom . . ., Anheuser Busch. . ., Früh Kölsch. . ., Henkell Sekt. . ., Boente. . .“

Was Rang und Namen hat in Deutschland und damit Getränke in Pfandflaschen verkauft, das steht auf dieser Liste. Wobei die angenommenen Schadenssummen sehr unterschiedlich ausfallen: Bei Coca Cola sind es 470 000 Euro, bei Oskar Maxxxum vier.

Automat zerstörte die Flaschen nicht mehr

Es ist vor der 13. Strafkammer des Landgerichts Bochum der erste Verhandlungstag gegen Artur K. aus Castrop-Rauxel. Er soll als Geschäftsführer einer Getränkefirma in Bochum und Herne zwei Rücknahmeautomaten für Plastikflaschen manipulativ genutzt und überhöhte Pfandrechnungen eingereicht haben.

Der Trick: In der Firma soll verhindert worden sein, dass der Pfandautomat die Plastikflasche vorschriftsmäßig zerstörte, so dass sie wieder und wieder eingeführt und abgerechnet werden konnte. Der Gesamtschaden, so die Anklage, belaufe sich auf 1,2 Millionen Euro – bei 25 Cent Pfand würde das bedeuten, dass Flaschen unfassbare 4,8 Millionen Mal eingeführt sein müssten. Juristisch heißt der Vorwurf: besonders schwerer Betrug in zwei Fällen. Weil ja zwei Automaten genutzt wurden.

Für 1600 Euro im Monat Geschäftsführer

Sein Verteidiger Dieter Tomczyk aus Marl beschreibt den 27-Jährigen am Mittwoch freilich als „Strohmann. Er hat mit dem Pfandbetrug nichts zu tun“. K. selbst schildert, wie ein entfernter Bekannter aus Castrop-Rauxel ihn angesprochen habe, Geschäftsführer des Getränkehandels zu werden – der Bekannte selbst habe wegen Problemen mit Unterhaltszahlungen kein eigenes Geschäft eröffnen können.

Für 1600 Euro monatlich habe er, K., dann „Unterlagen zum Steuerberater gefahren und in den Papieren die Auszahlung der Löhne kontrolliert . . . Da war ich dann mal für eine Stunde da, das war’s.“

„Ich habe mir da keinen Kopf drüber gemacht“

Und auf die skeptischen Nachfragen des Vorsitzenden Richters, was er gedacht habe, als damals 22-jähriger Versicherungslehrling Geschäftsführer im Getränkehandel werden zu sollen und 1600 Euro im Monat für fast nichts zu bekommen, da kommt nicht viel. Da kommt mit leiser Stimme: „Ich habe mir da keinen Kopf drüber gemacht.“ Oder auch: „Ich habe mir keine Gedanken gemacht.“ Mit dem Pfandgut habe er jedenfalls „nie zu tun gehabt“.

Der Prozess in Bochum ist der erste einer ganzen Reihe, die noch dieses Jahr in NRW startet. Denn mehrere Firmen unter anderem in Neuss, Köln und Frankfurt werden verdächtigt, auf diese Weise Geld ergaunert zu haben.

Beim Pfand ins Minus

Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt seit Jahren in diesen Fällen. Teilweise sollen dieselben Männer hinter den Firmen gestanden haben – und, so Verteidiger Dieter Tomczyk, „genau nach dem gleichen Strickmuster immer Geschäftsführer eingesetzt haben“.

Grundlage des möglichen Betruges ist die deutsche Genauigkeit. Denn da Menschen leere Pfandflaschen nicht immer dem Händler zurückbringen, bei dem sie sie gekauft haben, können die bei diesem Posten ins Minus rutschen: Sie zahlen mehr Pfand aus, als sie zuvor einnahmen.

Klärungsstelle gleicht den Betrag aus

Für solche Fälle gibt es eine Klärungsstelle, die den Betrag ausgleicht und ihn sich anschließend zurückholt bei dem Getränkehersteller. Genau das soll der Trick sein: Betrüger melden der Klärungsstelle hohe Pfandausgaben, haben aber wegen der manipulierten Rücknahmeautomaten längst nicht so viele Flaschen angenommen, wie sie abrechnen.

Bei der „Deutschen Pfandgesellschaft“ ist der Trick seit 2016 bekannt. Zuvor sei er wegen der enormen täglichen Datenmengen nicht aufgefallen, so die „Aachener Nachrichten“. Der Prozess wird fortgesetzt.