Ruhrgebiet. . Viele Ämter, Bäder und Büchereien waren am Dienstag geschlossen. Die Frage ist unbeantwortet, ob es bald eine Lösung im Tarifstreit gibt
Das Licht am Ende des Tunnels ist in diesem Fall ein Lottoladen, und zwar der von Andrea Landwehr. Er liegt auf der Verteilerebene unter dem Bochumer Hauptbahnhof: Doch wo sonst zu Stoßzeiten die halbe Stadt entlang hastet, ist es am Dienstagmorgen dreivierteldunkel und still.
„Wir machen gleich wieder zu“, sagt die Chefin – der Bäcker nebenan und der Bürobedarf haben gar nicht erst geöffnet. Noch versucht sie aber, jemanden aufzutreiben, der das Licht auf der Ebene wieder anmacht. Wegen der Sicherheit. „Wir haben schon bei der Stadt angerufen. Aber es meldet sich niemand.“
Eltern müssen improvisieren
Wie auch? Verdi hat für diesen Dienstag wieder Warnstreik ausgerufen. Gleich wird oben auf dem Platz eine Funktionärin aufzählen, was alles nicht geht in Bochum. In Dortmund, Essen, Duisburg, Herne, in vielen anderen Revierstädten sieht es ebenso aus.
Der Nahverkehr steht still, Sparkassen sind verschlossen, die Stadtwerke und die Müllabfuhr kommen nicht, Agentur für Arbeit und Jobcenter werden bestreikt, Bäder, Büchereien und Theater sind dicht. Auch viele städtische Kitas öffnen nicht, und Eltern machen, was sie am meisten hassen und am besten können: improvisieren. Wohin mit dem Kind?
Tag es Taxifahrers
Schon am frühen Morgen, als noch Winter ist im Ruhrgebiet und Schnee fällt, staut sich der Verkehr über Kilometer auf den Zufahrtstraßen in die Innenstädte. Manche Leute laufen, andere nehmen ein Rad, die meisten aber irgendein Auto. Warnstreik heißt ja auch: Tag des Taxifahrers.
„Bereits seit Tagen gibt es zahlreiche Anfragen, das Telefon steht nicht still“, sagt eine Frau in Wattenscheid, und eine andere: „Das ist sehr anstrengend.“ Und sehr lohnend: An einem Bahnhof wie Essen besteht die Schlange am Taxistand diesmal aus Menschen. Am Nachmittag ist die Rede von 30 Prozent Mehrumsatz.
„Die Leute regen sich nicht mehr auf als sonst“
Die meisten wissen natürlich längst Bescheid, was heute nicht geht. „Die Leute regen sich nicht mehr auf als sonst. Eher weniger, weil nicht so viele da sind“, sagt ein Service-Mitarbeiter der „Ruhrbahn“, des Nahverkehrsunternehmens für Essen und Mülheim.
Wenn überhaupt, sind es meist Auswärtige, die ahnungslos mit Zügen, die ja normal verkehren, in den öffentlichen Stillstand reisen: „Ich bin zu einem Lehrgang gekommen und muss jetzt das teure Taxi nehmen“, sagt ein Mann am Duisburger Hauptbahnhof. Eine Frau ist ausgebremst auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch an der Uni: „Jetzt muss ich sehen, wie ich dahin komme. So stellt man sich das vor: ein wichtiger Termin, und der Bus kommt nicht.“
„Mehr von uns ist besser für alle“
Viele Streikende kommen am Vormittag zu Kundgebungen zusammen. Sie tragen diese „Wir sind es wert“-Überzieher in Weiß und Rot von Verdi, sie klatschen, tröten, pfeifen, rasseln, wenn auf der Bühne Sätze fallen wie „Wir heizen den Arbeitgebern kräftig ein“.
Eine junge Frau hält ein Schild hoch: „Mehr von uns ist besser für alle.“ Fortsetzung folgt? Das weiß man noch nicht. Was man weiß: Auf der Verteilerebene in Bochum ist es mittags noch immer dunkel.