Solingen. . Für Hüpfburg und Rutsche begeistern sich auch Erwachsene – und sie stehen dafür sogar gern und lange an. Man ist nie zu alt fürs Bällebad.

Die lieben Kleinen bocken, schreien und strampeln, sie wollen einfach nicht heim, doch auch für die letzten kommt jetzt das Ende im Kinderland: halb sieben abends, höchste Zeit. „Emma, Leon, Schluss!“

Aber wenn die Kinder draußen sind, beginnt für die Mitarbeiter erst der richtige Stress: Sie wischen und räumen schnell, bringen die Bobby Cars in Sicherheit und bauen die Bar um. Denn gleich kommen die Großen.

„Das ist voll cool“

Eine Seltenheit in Deutschland: Einmal im Monat ist im „Tiki-Kinderland“ in Solingen nämlich Ü-18-Toben. Aber auch nur mit dem, was tagsüber die Kinder begeistert: Hüpfburgen und Trampoline, Rutschen und Geschicklichkeitsparcours, Kinderflitzer und -bötchen und natürlich Bällchenbäder. „Wir müssen erst ins Bällchenbad“, sagt direkt hinter dem Eingang die 20-jährige Pia aus Dortmund zu ihren Freunden: „Das ist voll cool.“

Aus ihrer Kindheit haben sie die Flitzer in bester Erinnerung.
Aus ihrer Kindheit haben sie die Flitzer in bester Erinnerung.

Nur zwei Änderungen gibt es: Bobby Cars sind nun weg, weil schon zu viele kaputt gingen unter dem Gewicht der Großen und ihrem erwachsenen Vollgegendiewand-Fahrstil. Und die zweite Änderung ist . . . naja, das bisschen Alkohol.

„Noch ein Mal Kind sein“

Deborah Breuer, die die Verwaltung führt und deren Eltern das Kinderland gehört, hat selbst hier gerade ihren Geburtstag gefeiert. „Noch ein Mal Kind sein“, so erklärt die 25-Jährige die Anziehungskraft der Abende.

Sie sind ein großer Erfolg, manchmal ist der feste Termin aber schwierig. „Letztes Jahr fiel ein Abend in den Karneval, das können Sie vergessen, da kommen keine hundert Leute.“ Das könnte aber schlimmer sein, oder? Deborah Breuer lächelt.

Überwiegend Menschen in ihren zwanziger Jahren

Schon eine Viertelstunde vor Öffnung steht eine Warteschlange vor dem Eingang. Keine Teenager, die sind zu cool für sowas; aber doch überwiegend Menschen in ihren zwanziger Jahren. Es ist wohl kein Zufall, dass diese Ü-18-Themenabende an die Mottotage von Abiturienten erinnern: „Helden der Kindheit“, „Bad taste“, „Wasser marsch“.

Sie kommen rein, zahlen den Eintritt, viele gehen zur Garderobe, wechseln Straßenkleidung gegen Sportkleidung – und können Stoppersöckchen bekommen. Ganz wie die Kleinen, geht abends aber bis Schuhgröße 44.

Sie bewerfen einander mit Bällchen

Der Rest ist Juchen. Erwachsene Menschen, am fortgeschrittenen Abend einige hundert: krabbeln, toben, rutschen, rennen, hüpfen, kreischen durcheinander. Sie bewerfen einander mit Bällchen, hauen mit großen Kunststoff-Tieren oder versuchen, sich in ein Mini-Boot zu quetschen.

Das klappt auch, allerdings setzt das Boot sofort auf Grund auf. In 20 Zentimetern Tiefe. Was für ein Spaß. Der Jan möchte jetzt auf keinen Fall aus seinem Smaland abgeholt werden. Die Caroline auch nicht.

„Kein Geheule, kein ,Papa, ich muss Pipi“

Wenn das Trampolin voll ist, geht auch die Hüpfburg.
Wenn das Trampolin voll ist, geht auch die Hüpfburg.

Der Renner, um ein schönes schiefes Bild zu malen, der Renner ist aber das Trampolin. „Jetzt kann ich so richtig Gas geben“, sagt ein etwas älterer Sven, der sonst mit seiner kleinen Tochter kommt und wie jeder gute Vater deren vorübergehende Abwesenheit auch mal zu schätzen weiß: „Kein Geheule, kein ,Papa, ich muss Pipi.“

Aber jetzt muss Sven auf die Seilbahn: ein großer Ball, der an einem Seil hängt, das oben über ein anderes Seil läuft. Da sind ja mindestens fünf Meter Strecke! Juhuuuuu . . .

Im Laufe des Abends trifft man so auf Besucher aus Koblenz (140 Kilometer) und aus Osnabrück (178!), und langsam offenbart sich: Was die Leute anzieht, ist die Mischung aus Sport, Alkohol und dem ausgewogenen Zahlenverhältnis der verschiedensten Geschlechter.

An der Ham-Ham-Essensausgabe

Da sitzt man doch mal gerne in einer Sitzecke namens „Nemo“ oder „Piratenhöhle II“. Oder stellt sich als erwachsener Mensch unter dem Schild „Ham-Ham-Essensausgabe“ an.

Beim Blick in den Gastrobereich ist allerdings nicht völlig auszuschließen, dass dem einen oder anderen mehr an den billigen Bierchen liegt als an Bällchen. Liebe Frau Breuer, wenn sich jemand betrinkt in dieser Hüpfburg-Landschaft, passiert da nicht schnell was? Deborah Breuer sagt: „Unsere Erfahrung ist, Betrunkene und Kinder haben Glück.“

Info

Der „Verband der Hallen- und Indoorspielplätze (VDH)“ hat nach eigenen Angaben rund 400 Mitglieder in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Doch nur wenige bieten wie in Solingen, Hamburg oder Freiburg Ü-18-Abende an. „An manchen Standorten funktioniert es, an anderen nicht, und wir haben keine Regel feststellen können“, sagt VDH-Sprecher Ulrich Hähnel. Die meisten Betreiber hätten Ü18 bereits ausprobiert, auch, um die Nutzungszeit der Hallen auszuweiten