Düsseldorf. . Zwei Männer berichten am siebten Prozesstag vor dem Duisburger Landgericht, wie sie das tödliche Gedränge im Juli 2010 überlebten.

Die Zeugen im Loveparade-Prozess berichten alle das Gleiche, aber jeder erzählt seine eigene Geschichte. Rosalinda B. brachte in der vergangenen Woche ihre inneren Bilder mit, Manfred B. mit seinen Videos seinen eigenen Horrorfilm.

Am Dienstag sagt Gernot B. vor dem Duisburger Landgericht aus, klar und analytisch. Seine nüchterne Sprache macht nicht gleich fassbar, was er da eigentlich sagt: „Ich war mir bewusst, dass die Frau neben mir gerade stirbt.“

„Es war absolute Regungslosigkeit“

Gernot B. aus Braunschweig war mittendrin, auf der Rampe, an der Treppe, im Gedränge. Am Zugang zu jenem Techno-Fest, bei dem 21 Besucher starben, nach dem nun zehn Mitarbeiter von Stadt und Veranstalter wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung angeklagt sind. Auch dieser Zeuge berichtet vom Geschiebe, von der Menschenmenge, in der „nichts mehr vor- und zurückgeht“, von der Unfähigkeit, sich noch zu bewegen. Der linke Arm war eingeklemmt, der Körper nach einem Ruck in Schräglage: „Es war absolute Regungslosigkeit.“

„Sie ist neben mir in der Menge versunken.“

So muss der heute 34-Jährige mit ansehen, wie Frauen weinen und schreien, wie eine ohnmächtig über alle Köpfe hinweg zur Treppe getragen wird. Und wie diese eine nur fünf Zentimeter entfernt keine Luft mehr bekommt, wie ihre Augen sich verdrehen. Er will sie halten und schafft es nicht. „Sie ist neben mir in der Menge versunken.“

Später, sagt B., habe man ihn selbst an beiden Armen aus dem Pulk gezogen, er wollte ebenfalls helfen, „aber ich hatte keine Kraft mehr“. Verletzungen hatte der Braunschweiger nicht, auch seine Freunde überlebten, seelisch wirkt er stabil.

Aber dieser Mann will aufklären, schrieb noch am selben Tag alles nieder und ging zur Polizei. Nie, sagt er, hätte er gedacht, dass eine Loveparade auf einem eingezäunten Gelände stattfinden könnte, er, der doch Berlin kannte, Dortmund und Essen.

Geschoben und gezogen,um sich selbst zu retten

Das Wort „Loveparade“, sagt er allerdings selten, sie vermeiden das Wort alle, so scheint es. „Fest“ sagt die Zeugin B., von „Feierlichkeiten“ spricht Gernot B., „Veranstaltung“, sagt Levent B. aus Gelsenkirchen. Auch der 42-Jährige erzählt von „Todesangst“, von „Schockzustand“, und davon, dass die Menschen in ihrer Not „gewalttätig“ gewesen seien. Er selbst gibt zu, er hat sich durchgekämpft.

Es gibt ein Video, das ihn zeigt, wie er mit nacktem Oberkörper eine Wand erklimmt – und abstürzt. Bis heute ist er nicht richtig arbeitsfähig. Wegen des Rückens, aber auch wegen seiner Schuldgefühle. Levent B. weiß, er hat geschoben und gezogen, um sich selbst zu retten. Über die Menschen, durch die er so pflügte, sagt er kein Wort. „Jedem ging es um sein Leben.”