Ruhrgebiet. Warum studieren junge Menschen aus aller Welt gerne bei uns im Ruhrgebiet? Vier Kandidaten und eine ganze Menge überraschender Einsichten.

Für viele Studenten ist schon bei der Einschreibung klar: Sie wollen für ein Semester ins Ausland. Während bei deutschen Studenten besonders Spanien und Frankreich beliebt sind, zieht es ausländische Studenten aus ganz unterschiedlichen Gründen ins Ruhrgebiet.

Kristóf Balogh

Kristóf Balogh aus Ungarn vor dem Audimax der Ruhr Universität.
Kristóf Balogh aus Ungarn vor dem Audimax der Ruhr Universität. © Ingo Otto

„Ich habe noch nie so eine große Uni gesehen“, sagt der 23-jährige Kristóf aus Budapest. Er studiert im zweiten Semester an der Ruhr-Universität in Bochum Jura. In ganz Ungarn gebe es keine so große Uni.

Nach Bochum kam er eigentlich nur für ein Semester. „Ich hatte mich für noch ein zweites Erasmus-Semester im Anschluss angemeldet, aber in Griechenland“, erinnert er sich. Statt im Herbst nach Kreta zu ziehen, in ein Studentenwohnheim mit Meerblick, blieb er in Bochum. „Ich habe ein Mädchen kennengelernt“, erzählt er und lächelt. Mit seiner Freundin Sarah wohnt er mittlerweile zusammen.

Besonders gut gefällt ihm am Ruhrgebiet die Lage. „Mein Traum ist es, alle Hauptstädte Europas zu besuchen. Von hier aus kann ich nach Amsterdam, London und Brüssel.“ Auch das Bochumer Studentenleben ist für ihn besonders. „Die Leute grillen hier an der Uni. Für mich ist das Wahnsinn.“ Sein großes Hobby: Sport. „Man kann alles machen“, erzählt er begeistert vom Programm des Hochschulsports. Derzeit belegt er drei Kurse. „Zuhause gibt es nur sechs bis sieben Sportarten.“

Lucía Feldhoff Fernández

Lucía Feldhoff Fernández auf dem Campus der Ruhr Universität.
Lucía Feldhoff Fernández auf dem Campus der Ruhr Universität. © Ingo Otto

„Ich spreche Deutsch seitdem ich klein bin“, erzählt die 21-jährige Lucía aus Luarca im spanischen Asturien. Eigentlich studiert sie an der Universität in Oviedo, in Bochum ist sie jetzt für Germanistik, romanische Philologie und Portugiesisch eingeschrieben.

„Mein Traum ist es, perfekt Deutsch zu sprechen. Ich habe hier meine Wurzeln, mein Vater ist Deutscher.“ In Spanien hat sie schon zahlreiche Sprachkurse gemacht. „Wenn man eine Sprache lernen will, muss man auch in dem Land sein“, findet Lucía. Schließlich möchte sie Deutschlehrerin oder Dolmetscherin werden. Sie liebt Sprachen, deshalb belegt sie auch einen Niederländischkurs.

„An der Uni sind so viele Nationalitäten vertreten. Wenn ich über den Campus gehe, höre ich fünf verschiedene Sprachen“, erzählt sie begeistert. Nur ihren Freund und ihre Familie vermisst sie. Bei Problemen kann sie sich aber auf ihre Familie verlassen. „Meine Tante, meine Cousinen und mein Opa wohnen hier in der Nähe. Das ist sehr praktisch.“

Waidi Gbenro Adebayo

Waidi Gbenro Adebayo in seiner Wohnung in Witten.
Waidi Gbenro Adebayo in seiner Wohnung in Witten. © Kai Kitschenberg

Aus Lagos, mit 18 Millionen Menschen eine der bevölkerungsreichsten Städte der Welt, kam der heute 39-Jährige 2016 nach Witten. „Es ist schön ruhig hier. In Lagos ist es immer laut“, erzählt der Nigerianer. Lange hat er nach dem richtigen Master-Studiengang gesucht, in Witten wurde er fündig. „Philosophy, Politics, and Economics“ heißt sein Studiengang. Dank eines Stipendiums der Universität Witten/Herdecke kann er sich das Studium finanzieren.

Er lobt die Uni: „Mir gefällt die Art, wie hier gelehrt wird.“ In Witten diskutiere man viel. Außerdem biete ihm die Uni Freiheiten bei der Fächerwahl. Falls ihm eine Doktorandenstelle angeboten wird, möchte er länger in Deutschland bleiben. Ansonsten warten in Nigeria seine Frau und sein Sohn. „Als ich gegangen bin, war er erst wenige Monate alt“, erinnert er sich. Dank des Semestertickets hat er NRW erkundet. „Es ist cool, dass alles so nah beieinander ist.“

Carlos Fernando Hermosilla Morales

Carlos Fernando Hermosilla Morales aus Chile in der Bibliothek der Ruhr Universität.
Carlos Fernando Hermosilla Morales aus Chile in der Bibliothek der Ruhr Universität. © Ingo Otto

„Ich will für immer hier leben“, sagt der 22-jährige Carlos entschlossen. Eigentlich kommt er aus der Hafenstadt Talcahuano in Chile. Seit August studiert er an der Ruhr-Universität in Bochum Maschinenbau, zuvor hat er schon in der Stadt Concepción studiert. Jetzt fängt er von vorne an – auf Deutsch.

Der Chilene kam über den Deutschen Akademischen Austauschdienst, der Jungingenieure aus Chile fördert, nach Bochum. „Für meine Familie ist es günstiger, dass ich jetzt in Deutschland studiere.“

Deutschland ist seiner Meinung nach „das beste Land in Europa“. Warum? „In Deutschland ist die Lernqualität sehr gut, und die Menschen sind respektvoll. Außerdem liebe ich die Kultur.“ Am Ruhrgebiet gefällt ihm das Multikulturelle. „In meiner Stadt gibt es das nicht. Ich kenne dort nur wenige Ausländer.“

Chile vermisst er nicht, nur seine Familie. Im August hatte er noch einen kleinen Kulturschock. „Deutsche haben immer ein Pokerface und sind distanziert. Hier gibt man sich die Hand, in Chile umarmt man sich.“