Dire Dawa. . Die Kindernothilfe bringt in der Stadt Dire Dawa Kinder in den Unterricht, die sich Bildung sonst nicht leisten könnten. Sie können dabei helfen.

Es gibt in Dire Dawa eine Schule, an der die Kinder nicht aussehen wie Schüler. Schüler nämlich in Äthiopien, die tragen Uniform. Gelbe Bluse, grüner Rock. Blaue Hose, weißes Hemd. Rote Kragen zum roten Beinkleid, neonleuchtende Shirts, jede Schule anders! Nur diese hier – ist bunt. Mädchen kommen in farbenfrohen Gewändern, Jungen in Trikots: Messi, Ronaldo, Costa, Ronaldinho, lauter kleine Kicker singen am Morgen die Nationalhymne auf dem staubigen Hof. Nur haben sie keine Fußballschuhe, sondern bloß ausgetretene Badelatschen, und die Kleider haben allesamt bessere Tage gesehen. In diese Schule gehen die Kinder, die sich keine Schule leisten können.

Auch keine Uniform, kein Heft, keinen Stift und eigentlich auch nicht, zum Fahnenappell um halb neun pünktlich zu sein. „Manchmal“, sagt der achtjährige Abebe, „habe ich zu spät gefrühstückt.“ Was eine diplomatische Umschreibung ist für: Es ist niemand da, der Frühstück macht. Es ist nicht einmal Frühstück da. Abebes Vater ist tot, Abebes Mama hat noch vier große Töchter. Sie muss arbeiten, sagt der Junge. „Aber sie sagt nicht, was sie macht.“

Waschen ist wichtig

Manchmal macht sie Essen. Nur bleibt dann kein Geld mehr, um den Jüngsten in die Schule zu schicken. Bei der gleichaltrigen Alemee ist das auch so, neben Abebe in der Bank: Mama fegt die Straße, Papa ist blind und zuhause. Es waren Krankenschwestern, die den Drittklässlern beigebracht haben, dass man sich vor dem Essen die Hände wäscht, es sind hin und wieder Polizisten, die kommen und sie erziehen. Und die drei Lehrerinnen, von der Kindernothilfe bezahlt wie dieses Haus mit den zwei Klassenzimmern.

Senait gibt ihr verdientes Geld bei ihrer Tante ab.
Senait gibt ihr verdientes Geld bei ihrer Tante ab. © Jakob Studnar / FUNKE Foto Services

Der himmelblaue Putz blättert, aber es ist ein Haus aus Stein, in dem es einen Kühlschrank gibt mit Trinkwasser, einen Kassettenrecorder, damit die Mädchen tanzen können, und ein Schachbrett, auf dem die Jungen mit Kronkorken Dame spielen. Und es gibt Seife. Das ist vielleicht das Tollste für den kleinen Abebe, „sie halten uns hier sauber“. Denn er weiß: „Wenn ich nicht sauber bin, kann ich nicht in die richtige Schule gehen.“ Dort müssten ihre Schüler nämlich „sein wie alle anderen“, sagt die Lehrerin Alganesh Misgina.

Die Kinder sind fast immer gute Schüler

Irgendwie kriegen sie das immer hin: Fast alle Kinder aus diesem Lernzentrum, das sie „Non-formal education“ nennen – „Nicht formale Bildung“ –, wechseln nach der dritten Klasse in die „Formal education“, und fast immer sind sie dort gute Schüler. Weil sie gelernt haben, wie Makeda, die 15-Jährige: „Das Leben ist nicht angenehm, wenn man nicht lernt.“ Oder weil sie wissen, dass sie sich nicht nur für sich selbst mühen: „Wir strengen uns mehr an“, sagt Makeda, „weil wir wissen, dann können wir unsere Familien da raus holen.“

Schüler des Lernzentrums spielen in der Pause Dame mit alten Kronkorken.
Schüler des Lernzentrums spielen in der Pause Dame mit alten Kronkorken. © Jakob Studnar / FUNKE Foto Services

Viele Kinder in Äthiopien glauben, dass sich das so gehört. Senait etwa möchte „etwas erreichen, um der Tante helfen zu können“. Diese Tante: Sie holte das Mädchen vom Land nach Dire Dawa; die Eltern hofften, Senait könne dort endlich zur Schule gehen. Für drei Töchter konnten sie das nicht bezahlen. Senait aber, 13 Jahre alt, hatte keine Zeit für die Schule: Sie muss Feuerholz holen, sie schleppt es in Bündeln vom Berg hinunter in die Stadt. Dann braucht die Tante Wasser, um Fladenbrot zu backen, das Senait auf der Straße verkauft.

Die Tante beutet Senait aus

Dort entdeckten die Leute von der Kindernothilfe das Mädchen, sie sorgten dafür, dass beides geht: Senait arbeitet immer noch, aber sie darf auch in die blaue Schule. Dritte Klasse, mit 13, aber sie sagt: „Ich fühle mich frei.“ Senait denkt, dass so das Leben ist. Sie weiß nicht, dass die Tante sie ausbeutet, sie würde es auch nicht verstehen, die Frau ist Familie. Aber selbst die Behörden wollen nicht mehr, dass Kinder in Äthiopien so aufwachsen müssen. Neuerdings wird kontrolliert, ob sie zur Schule gehen.

Und, das steht schon fest: Ab 2021 wird die Regierung das blaue Haus der Kindernothilfe übernehmen, als offizielle Schule. Nur, man ahnt es schon, die armen Kinder sind dann nicht weg. Sie werden eine neue bunte Schule brauchen.

Hier können Sie helfen

Kindernothilfe, Stichwort: Äthiopien
IBAN DE4335 0601 9000 0031 0310, BIC GENODED1DKD
(Bank für Kirche und Diakonie)

Unterricht im Lernzentrum

Vor dem Lernzentrum stellen sich die Kinder morgens in Reihen auf.
Vor dem Lernzentrum stellen sich die Kinder morgens in Reihen auf. © Jakob Studnar
Vor dem Lernzentrum stellen sich die Kinder morgens in Reihen auf.
Vor dem Lernzentrum stellen sich die Kinder morgens in Reihen auf. © Jakob Studnar
Der achtjährige Abebe besucht das Lernzentrum, auch
Der achtjährige Abebe besucht das Lernzentrum, auch "Non-formal education" genannt, in Dire Dawa. © Jakob Studnar
Der achtjährige Abebe besucht das Lernzentrum, auch
Der achtjährige Abebe besucht das Lernzentrum, auch "Non-formal education" genannt, in Dire Dawa. © Jakob Studnar
Der achtjährige Abebe besucht das Lernzentrum, auch
Der achtjährige Abebe besucht das Lernzentrum, auch "Non-formal education" genannt, in Dire Dawa. © Jakob Studnar
In dem Lernzentrum tragen die Kinder keine Schuluniform.
In dem Lernzentrum tragen die Kinder keine Schuluniform. © Jakob Studnar
Die Studentin Mahlet ist zu Besuch im Lernzentrum. Sie ist dort selbst eine Zeit lang zur Schule gegangen.
Die Studentin Mahlet ist zu Besuch im Lernzentrum. Sie ist dort selbst eine Zeit lang zur Schule gegangen. © Jakob Studnar
Die 13-jährige Senait erzählt von ihrem Leben und dem Unterricht im Lernzentrum.
Die 13-jährige Senait erzählt von ihrem Leben und dem Unterricht im Lernzentrum. © Jakob Studnar
Die Betreuerin verteilt Brot an die Schülerinnen und Schüler in der großen Pause.
Die Betreuerin verteilt Brot an die Schülerinnen und Schüler in der großen Pause. © Jakob Studnar
In der großen Pause wird Dame gespielt - mit Kronkorken.
In der großen Pause wird Dame gespielt - mit Kronkorken. © Jakob Studnar
Die große Pause verbringen die Kinder auf dem Schulhof des Lernzentrums.
Die große Pause verbringen die Kinder auf dem Schulhof des Lernzentrums. © Jakob Studnar
Die große Pause verbringen die Kinder auf dem Schulhof des Lernzentrums.
Die große Pause verbringen die Kinder auf dem Schulhof des Lernzentrums. © Jakob Studnar
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