Bochum. Ein 17-Jähriger Schüler bangt davor, nicht mehr Rollstuhlhockey spielen zu können. Nun gibt es Hoffnung auf einen sporttauglichen Rolli.
Taschengeld, Geburtstagsgeschenke: 800 Euro hat Marvin Reinke schon gespart, dafür auf vieles verzichtet. Alles für einen neuen Rollstuhl, der dem 17-Jährigen die Chance gäbe, in seinem Hobby aktiv zu bleiben: dem Rollstuhlhockey. Die Kasse stellt sich quer und verweist auf die Bestimmungen der Gesetzlichen Krankenversicherung. „Dabei gibt mir der Sport unendlich viel. Ich möchte ihn nicht verlieren“, sagt der Weitmarer.
Bilaterale Cerebralparese: So heißt die Hirnfunktionsstörung, unter der Marvin von Geburt an leidet. Bis zur Pubertät konnte er trotz seiner spastischen Lähmung noch laufen. Doch eine von großen Erwartungen begleitete Hüft- und Fuß-OP vor knapp zwei Jahren in Hamburg „ging furchtbar schief“, berichtet Mutter Sabine Reinke. „Statt besser ist es nochmals deutlich schlimmer geworden“, klagt die 56-Jährige. Marvin hat chronische Schmerzen. Eine Arthrose hat sich gebildet. Ihr Sohn, der ein Berufsbildungswerk in Vollmarstein besucht und Web-Designer werden will, ist voraussichtlich dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen.
Vater Marco (55) arbeitet als Fernfahrer. Während der Woche meistern Mutter und Sohn den beschwerlichen Alltag daheim am Kuhlenkötterweg allein. Immense Bedeutung komme dabei dem Hockey zu, betonen beide. Für die Ruhrrollers Essen geht Marvin in der 3. Bundesliga auf Torejagd. „Wobei mein Trainer meint, dass ich talentiert bin und auch in der 2. Liga spielen könne“, strahlt der kluge, lebensfrohe Teenager. „Das wöchentliche Training und die Ligaspiele bedeuten ihm alles. Das stärkt sein Selbstbewusstsein“, weiß Mutter Sabine.
Umso verzweifelter ist die Familie in diesen Wochen. Der Deutsche Rollstuhl-Sportverband erlaubt neuerdings nur noch leistungsstarke Rollis im Liga-Betrieb. „Ich bräuchte ein Modell mit 13 km/h Höchstgeschwindigkeit. Mein Rolli bringt es aber nur auf knapp zehn km/h. Zudem ist es sehr reparaturanfällig und kaum alltagstauglich“, schildert Marvin.
Ablehnung auch im Widerspruch
Sein langjähriger Orthopäde in Coesfeld verordnete im August einen neuen Elektrorolli. Als Begründung nennt der Facharzt u.a. die „Erweiterung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“. Die Techniker Krankenkasse (TK), bei der Marvin versichert ist, lehnte den Rolli auch im Widerspruchsverfahren ab. Die Teilnahme am allgemeinen Schulsport sei „durch den vorhandenen Elektrorollstuhl ausreichend gesichert“, heißt es. „Die Ausstattung für spezielle Sportarten fällt leider nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.“
Gegenüber der WAZ beharrt die TK auf ihrem Nein. Die Kasse dürfe „keine Kosten für Hilfsmittel übernehmen, die lediglich im Freizeitbereich zum Einsatz kommen“, erklärt Sprecher Christian Elspas.
Doch es gibt Hoffnung. Auf WAZ-Anfrage teilt die TK mit, dass nunmehr der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) eingeschaltet ist. Dort werde derzeit geprüft, ob „im Rahmen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“ eine Kostenbeteiligung möglich ist.
So kurz vor Weihnachten wäre das für die Reinkes das schönste Geschenk. „Wir haben bei der Ablehnung vor Wut geheult. Die Kasse hat offenbar keine Ahnung, wie wichtig das Hockeyspielen für Marvin ist. Es hat ihn aus seinem Tief geholt“ sagt Sabine Reinke, während Marvin sich bereits im Handel umgehört hat. Mit Erfolg: „Ein Essener Sanitätshaus würde meinen Wunsch-Rolli zum Sonderkurs von 10 664 Euro überlassen.“
Der 17-Jährige spart gleichwohl weiter. Jetzt allerdings mit neuer Zuversicht, dass sein Traum deutlich schneller in Erfüllung geht.