Ratingen/Essen. . Ein Laster kracht in die stehenden Autos auf der A 3 bei Hösel – mit tödlichen Folgen. Bessere Technik könnte solche Unfälle verhindern.

Als am Donnerstagmorgen im dichtesten Berufsverkehr zwei Rettungshubschrauber auf der A 3 bei Ratingen-Hösel landen, sind schon Dutzende Helfer dabei, drei zusammengeknäulte Autos aufzuschneiden, um die Fahrer zu befreien. Das Kreuz Breitscheid hat sich zuvor als zu schwach erwiesen für den Berufsverkehr an diesem Novembermorgen, er staut sich auf der A 3 Richtung Oberhausen und ein 41 Jahre alter Lasterfahrer aus Ungarn kracht um 7.30 Uhr in einen Passat, drückt ihn unter den Sattelzug davor und die gesamte Blechmasse in vier weitere Autos.

Der Fahrer des Passats stirbt noch an der Unfallstelle, 34 Jahre ist er alt geworden. Die Fahrerin eines Opels (65) und den Fahrer eines Volkswagens (26) bringen die Hubschrauber mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus. Der Mann erliegt später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Drei weitere Menschen verletzen sich leicht. Es ist ein furchtbarer Unfall, doch fast täglich übersieht ein Fahrer ein Stauende.

Laster sind nicht häufiger beteiligt

Rund 300 solche Unfälle mit Schwerverletzten und Getöteten geschehen jährlich, hat die Unfallforschung der Versicherer gezählt. Laster seien daran nicht überproportional beteiligt, sagt deren Leiter Siegfried Brockmann. Aber die Folgen sind umso schrecklicher: Bei allen Unfällen mit schweren Lastern sterben pro Jahr in Deutschland fast 500 Menschen, über 3200 werden schwer verletzt. Und Auffahrunfälle machen tatsächlich etwa ein Fünftel dieser Unfälle aus und 30 Prozent der dabei Getöteten.

Aber warum, um alles in der Welt, übersieht ein professioneller Berufsfahrer einen Stau?

Die Gesetze bleiben unter den Möglichkeiten

„Es kann nur zwei Gründe geben“, sagt Brockmann. „Entweder der Fahrer hat die Augen zu oder er macht gerade was anderes.“ Er ist also abgelenkt oder müde. 500 Tote im Jahr – „ein optimales Notbremssystem würde 80 Prozent dieser Unfälle verhindern“, sagt Brockmann. Tatsächlich bleiben die Gesetze dramatisch unter den technischen Möglichkeiten. Seit 2015 hat zwar jeder neu zugelassene Laster einen Notbremsassistenten – etwa ein Viertel der Lkw auf deutschen Straßen hat mittlerweile einen – doch der bremst nur von Tempo 80 auf Tempo 70 runter. Ab nächstem Jahr dann sollen neue Systeme immerhin auf 60 km/h abbremsen.

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„Dabei gibt es längst Assistenten, die das Fahrzeug sicher zum Stillstand bringen können“, sagt Brockmann. Strengere Vorgaben fordern ja sogar die Lobbyisten der Logistiker. Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) zum Beispiel plädiert seit langem auch für Abstandsregeltempomaten, also Technik, die nicht nur im Notfall greift, sondern immer einen Sicherheitsabstand lässt. Es ist allerdings so, dass sich die Regeln für den grenzüberschreitenden Lasterverkehr nur auf EU-Ebene ändern lassen, erklären Brockmann und der BGL-Sprecher Martin Bulheller unisono. Und die EU wiederum orientiert sich an der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen, zu der auch Länder wie Tadschikistan und Aserbaidschan gehören. Bei den Sicherheitsstandards gilt der kleinste gemeinsame Nenner.

Polizisten filmen von der Leitplanke

Bis zum Nachmittag bleibt die A 3 nach Oberhausen an diesem Novembertag gesperrt. Es staut es sich vor Breitscheid bis auf 20 Kilometer, auch die Autobahnen drumherum sind überlastet. Nicht nur die Retter haben alle Hände voll zu tun. Polizisten müssen das Trümmerfeld mit mobilen Wänden vor Gaffern abschirmen. Sie steigen sogar auf die Mittelleitplanke, um ihrerseits Gaffer zu filmen. Aber so traurig das alles ist, es ist der tägliche Horror auf den Autobahnen.