Duisburg. . Auf das Gutachten des Panikforschers Still stützte sich die Anklage im Loveparade-Verfahren. Der Prozess wird größtenteils ohne ihn stattfinden.
Der Loveparade-Prozess wird größtenteils ohne Keith Still über die Bühne gehen. Der britische Panikforscher, auf dessen Gutachten zur Tragödie sich die Duisburger Staatsanwaltschaft hauptsächlich stützte, werde wohl „nur zu einzelnen Terminen geladen“, bestätigte das Duisburger Landgericht gestern auf Nachfrage.
„Wir haben hier einen vermeintlichen Sachverständigen, der jahrelang mit einem Gutachten beschäftigt wurde, das viel Geld gekostet hat und der nun nicht im Hauptsacheverfahren sitzt, das ist schon ein Statement“, ätzte der Kölner Rechtsanwalt Björn Gercke, der einen der zehn Angeklagten verteidigt. Gercke wirft der Staatsanwaltschaft seit Jahren vor, viel zu lange an Still festgehalten zu haben. Das umstrittene Gutachten genüge aus vielen Gründen der deutschen Strafprozessnorm nicht, „und die Versuche der Staatsanwaltschaft, es zu verschlimmbessern, haben maßgeblich dazu geführt, dass sich die Angelegenheit so lange hingezogen hat“.
„Es war immer nur ein Beweismittel unter vielen“
Die Staatsanwaltschaft bemühte sich, den Vorgang zu relativieren. „Das Still-Gutachten war immer nur ein Beweismittel unter vielen, und es steht ja auch noch zur Verfügung“, beteuerte Anna Christiana Weiler. Allerdings hatte das Duisburger Landgericht Stills Papier als wesentliches Beweismittel der Staatsanwaltschaft eingestuft, auf dem die Anklage beruhe, Still „gravierende inhaltliche und methodische Mängel“ vorgeworfen und daher im April 2016 einen Prozess abgelehnt. Das Oberlandesgericht (OLG) kippte die Entscheidung, ab 8. Dezember wird gegen sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier des Veranstalters in Düsseldorf prozessiert.
„Das OLG hat uns ja vollumfänglich Recht gegeben“, beharrte Weiler. Es habe „festgestellt, dass weder Still noch sein Gutachten zu beanstanden sind“. Dass man ein zweites Gutachten beauftragt habe, beim Wuppertaler Professor Jürgen Gerlach, sei kein Misstrauensvotum gegen Still gewesen. Es sei vorsorglich passiert im Nachgang der Landgerichtsentscheidung, den Prozess nicht zu eröffnen. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft mit Erfolg Beschwerde eingelegt beim OLG.
Gercke sieht in der Beauftragung Gerlachs „einen Beleg dafür, dass die Staatsanwaltschaft jahrelang einem nicht verwertbaren Gutachten gefolgt ist“. Den ersten, 2000 Seiten starken Teil des neuen Gutachtens, so Gercke, habe man bekommen, der zweite soll im Februar folgen. Dass man sich erst im Verfahren selbst damit beschäftige, parallel zur Beweisaufnahme, „das ist bei einem Verfahren dieser Bedeutung und bei der Vorlaufzeit wirklich einmalig“, kritisierte der Anwalt.
Gerlach wird laut Gericht von Anfang an im Prozess sitzen.