Remscheid. . Leerstände machen den Innenstädten nicht nur im Revier zu schaffen. Eine Ausstellung in verwaisten Läden in Remscheid zeigt Wege aus der Not auf.
Der Wäscheladen leer, der Euroshop verrammelt, von Lemmi nur noch Reklame. Im nächsten Schaufenster: „Wir ziehen um. Ab sofort finden Sie uns in Solingen.“ An der Tür gegenüber: „Hier im Haus 140-qm-Einzelhandelsetage preiswert zu vermieten“. Keine Frage: Die Alleestraße von Remscheid muss kämpfen, die Fußgängerzone; ein Schriftzug, der quer steht zur Laufrichtung, bringt die ganze Misere ganz gut auf den Punkt: „Wo seid ihr denn alle hin?“
Im Zweifelsfall ins Internet. Oder in die großen Einkaufszentren vor der Stadt. In Remscheid, im Ruhrgebiet, in Deutschland. Einzelhandel leidet.
Hinter dem Schriftzug aber ändert sich das Remscheider Bild: Leere Ladenlokale setzen sich zwar mit Boshaftigkeit fort, haben aber vorübergehend wieder Sinn gefunden. Darin steht nämlich die Ausstellung „Gute Geschäfte. Was kommt nach dem Einzelhandel?“. Denn „je mehr sich die Geschäfte auf dem Rückzug befinden, desto mehr geht die Stadtkultur verloren“, sagt Tim Rienits, Geschäftsführer der veranstaltenden Initiative „Stadtbaukultur NRW“ aus Gelsenkirchen. Sie hat Ideen aufgelesen und ausgestellt, was man tun kann gegen Leere und Ödnis. Hier sind die Besten:
Wechsel
Keine Stadt in NRW hat seit 1970 anteilig so viele Einwohner verloren wie Altena im Sauerland. Unter der Burg wurde es immer leerer. Der Plan war 2015: Neue Nutzer von Ladenlokalen können ihr Konzept acht Wochen gegen kleines Geld erproben. Ob wohl jemand kommt? Der überschaubare Zeitraum hat manchen Mut gemacht, tatsächlich etwas auszuprobieren. Einige der Läden haben heute dauerhaft geöffnet.
Hotel
In den „Grätzlhotels“ in Wien hat jedes Zimmer eine eigene Adresse. Handelt es sich doch um frühere Geschäftslokale, verstreut im Viertel, die umgebaut wurden zu Zimmern oder Suiten. Der Erfolg? Inzwischen gibt es drei dieser Hotels, rund um den Karmelitermarkt, dann den Meidlinger Markt und um das Belvedere. Zentral ist nur die Rezeption, dafür gibt’s Hotelfrühstück im Zweifelsfall beim nächsten Bäcker. PS: „Grätzl“ ist österreichisches Deutsch für ein Stadtviertelchen.
Genossenschaft
In Solingen schloss im Stadtviertel Hasseldelle der letzte Nahversorger, eine Katastrophe für viele ältere und hilfsbedürftige Anlieger. Da entstand die „Beroma eG“, und Nachbarn zeichneten Anteile dieser Genossenschaft. Sie betreibt heute in den alten Räumen einen richtigen Supermarkt und bietet nicht nur an, die Lebensmittel vorbeizubringen. Sondern auch, die Kunden zum Geschäft hinzufahren und zurückzubringen.
Kultur
Die „Zwischenzeitzentrale“ ist in Bremen dazu da, Leerstehendes vorübergehend an den Mann zu bringen. Kultur, Musik und Party sind die wesentlichen Nutzungen. „Das verhindert, dass leerstehende Gebäude kaputt gehen, und fördert Existenzgründung und Bürgerbeteiligung“, sagt der städtische Planer Tom Lecke-Lopatta. Freilich gibt es auch Härtefälle: Die Vermittlung einer früheren Fleischfabrik läuft unter „Wurst Case“.
Wohnraum
Die Stadt Lünen hatte einen dieser Klötze am Bein, ein altes Hertie-Haus. Statt einen Einzelhandels-Investor zu suchen, ließ sie das Gebäude umbauen. 6000 Quadratmeter Geschäftsfläche verschwanden. Aus Leerstand wurde Wohnraum.
Haushalten
Der Verein „HausHalten“ hat in Leipzig ein Modell entwickelt, Leerstehendes zu nutzen. In „Wächterhäusern“ oder „Wächterläden“ nutzen Gründer, Kreative und junge Selbstständige den Raum auf der Basis eines Gestattungsvertrages des Eigentümers und passen dafür auf das Gebäude auf. „Wichtigstes Ziel von HausHalten e.V. ist es, die Erdgeschosszonen der Hauptverkehrsstraßen zu beleben und damit kulturhistorisch bedeutsame Ladenlokale zu erhalten“, heißt es: „Die positive Ausstrahlung wieder genutzter Ladenlokale und die damit erfolgende Belebung hat zum Ziel, auch momentan schwierige Läden langfristig wieder einer normalen Vermietung zuzuführen.“ Findet sich ein neuer Dauermieter, müssen die Wächter weichen.
Und sonst: wäre ,Ausstellung’ noch möglich. Siehe Remscheid.