Essen. . Die Katholische Jugend schult Nikoläuse. Sie will das Brauchtum pflegen. Doch es geht auch gegen das schwarze Schaf unter den Gabenbringern

Jetzt üben sie endlich zu schreiten. Haben zuvor das Schultertuch umgelegt, sind ins weiße Untergewand geschlüpft, haben die Kordel geschnürt, das Brustkreuz genommen, den Bischofshut aufgesetzt, Bart und Perücke geradegerückt, den Mantel angezogen, den Bischofsstab korrekt zu halten gelernt, nämlich, wie jeder weiß, als Nikolaus immer mit der Krümmung nach vorn – und durchmessen den Raum nun bedächtigsten Schrittes.

Halt, stop, „brauch’ ich noch das Nikolausbuch?“ Die Antwort aus der Gruppe ist eindeutig: „Ja, als Erinnerungsstütze.“ Für Fragen wie: Wo bin ich? Wie heißen die Kinder nochmal? Was sollte ich ihnen sagen? Auch für Nikoläuse gilt: Gute Buchführung ersetzt 98 Prozent der Inspiration.

Fair gehandelte Nikoläuse auf dem Tisch

Im Konferenzraum eines katholischen Hochhauses in Essen sitzen an diesem Samstag etwa 20 kommende Nikoläuse im Stuhlkreis beisammen, Männer wie Frauen. Sie sind hier, um vor oder am 6. Dezember einen glaubhaften Nikolaus zu geben. Fair gehandelte Schokoladen-Nikoläuse stehen auf einem Tisch, das beliebte Standardwerk „Das Nikolaus-Handbuch“ stapelt sich daneben.

Ein Jux? Aber nein: Das Seminar dauert den ganzen Tag, es gibt am Ende ein Zertifikat, und die Nikolaus-Legende pauken sie ebenso wie Interpretation und Darstellung. Vorn spricht grad jemand von „interaktiver Biografiearbeit“.

Das Schuhwerk verrät den Träger

Freilich zeigt sich auch: Es sind auch Menschen dabei, die haben überbordende Erfahrung als Nikolaus. „Mich hat das Innenministerium schon mal mit dem Hubschrauber abgesetzt!“ Tipps können sie beitragen. Ist es klug, im Kinderkrankenhaus mit dem Rettungswagen vorzufahren? Eher nein.

Stephanie Schulze macht sich bereit.
Stephanie Schulze macht sich bereit. © Volker Hartmann

Was ist beim Auftritt in der eigenen Familie zu bedenken? Das Schuhwerk verrät gern den Träger. Und in einer fremden Familie? „Klären, ob noch Besonderheiten da sind“, sagt einer: „Zum Beispiel ein Kampfhund kann den ganzen Auftritt versauen.“

Das schwarze Schaf unter den Gabenbringern

Die Nikolausaktion entstand vor zehn Jahren im Bistum Köln, sie ist im Ruhrgebiet angelangt, und bei allem Spaß an der Sache gibt es durchaus einen Hintergrund. „Ich finde es schön, das Brauchtum zu erhalten und Werte weiterzugeben“, sagt Stephanie Schulze, die Vorsitzende des „Bundes der deutschen katholischen Jugend“ im Bistum.

Aber, unter uns: Ein bisschen geht es auch gegen den Weihnachtsmann, das schwarze Schaf unter den Gabenbringern, den Gott des Geldes sozusagen. Trägt ja auch keinen Ornat, sondern, steht hier zu lesen, „ein Schlabberkostüm“.

Premiere als Nikolaus

Annette war noch nie der Nikolaus. Jetzt will sie. Sie ist umgezogen und will auf diesem Weg all die neuen Nachbarn schneller kennenlernen. In der Arbeitsgruppe „Nikolaus in der Nachbarschaft“ haben sie erarbeitet, dass Annette sich zumindest mit Handzetteln ankündigen sollte. „Manche machen vielleicht die Tür nicht gerne auf, weil sie Aktenzeichen XY geguckt haben.“

Und am Ende wird sie Lollis verteilen statt Schokolade. „Ich will ja nicht mit jedem bekannt sein, aber pleite“, sagt sie. Mit der Bekanntschaft wäre es da aber auch wieder schnell vorbei.

„Es war so schön, die strahlenden Kinderaugen“

Bart und Perücke sollten auf keinen Fall verrutschen.
Bart und Perücke sollten auf keinen Fall verrutschen. © Volker Hartmann

Wolfgang Neff aus Oberhausen ist das Gegenteil: Er hat Erfahrung. Zunächst als Weihnachtsmann bei den „Essener Wanderpaddlern“, doch „da kam nie Atmosphäre auf, es war immer laut“, erinnert er sich. Daher wird er schon seit Jahren als Nikolaus im Kanu vorgefahren, da „stehen alle Kinder am Wasser, und es herrscht Totenstille“.

Und warum tut er das? „Wenn man sich eine Stunde mit den Kindern befasst hat, dann geht man pitschnass geschwitzt raus, aber es war so schön, die strahlenden Kinderaugen“, sagt Neff (67). Hierher ist er gekommen, um noch ein paar Tipps mitzunehmen. „Wir haben gerade gehört, man darf nicht mit dem Bart Autofahren. Ich würde einen Engel fahren lassen.“ Das ist ja eigentlich immer ratsam.