Ruhrgebiet. . Seit 50 Jahren sucht das ZDF Verbrecher. Tatsächlich konnte so mancher der mehr als 4500 Fälle aufgeklärt werden. Vier Krimis aus dem Revier.
Der etwas korpulente Mann mit den Geheimratsecken im sonst noch vollen Haar sagt nicht „Guten Abend“, er sagt nicht mal „Hallo“. Er sagt später oft „Leider kein Einzelfall“, aber das weiß man noch nicht als TV-Zuschauer an diesem Abend im Oktober 1967. Denn was da in schwarz-weiß und bieder in Szene gesetzt über den Bildschirm flimmert, ist eine Premiere.
„Aktenzeichen XY ... ungelöst“ heißt das Programm und der Mann, der es moderiert, Eduard Zimmermann, von Fans „Ganoven-Ede“ genannt. So manche der mehr als 4500 Fälle in 50 Jahren spielten im Ruhrgebiet. Vier haben die Menschen besonders bewegt.
Der tote Wurst-Millionär
Samstag, 29. Mai 2010. Direkt vor der Haustür seiner Villa wird der Dattelner Geflügel-Großhändler Klaus Kandaouroff nachts erschossen. Fünf Monate ermitteln die Fahnder auf Hochtouren, setzen sogar so genannte „Mantrailer-Hunde“ ein, die winzige DNA-Spuren aufnehmen und verfolgen können. Doch die Fahndung bleibt erfolglos. Erst als der Fall im November bei „Aktenzeichen XY... ungelöst“ gezeigt wird, bekommt die Polizei den entscheidenden Tipp.
Wenige Wochen später nimmt sie in Haltern und Gelsenkirchen drei Männer fest. Haupttäter Mladen P. (44) muss wegen versuchten Raubes mit Todesfolge zwölf Jahre ins Gefängnis. Seine Komplizen Michael M. (47) und Volker H. (48) wandern fünf und sieben Jahre hinter Gitter. Der Tippgeber bleibt bis heute unbekannt.
Geheimnisvolles Taschentuch
Als die als extrem zuverlässig geltende Volksschullehrerin Luise Stöcker am 30. März 1965 nicht zum Unterricht an der Evangelischen Schule im Stadtteil Mülheim-Broich erscheint, alarmiert ihr Vorgesetzter die Polizei. Die Beamten finden Luise Stöcker tot in ihrem Badezimmer. Sie wurde mit einer Flasche niedergeschlagen und dann erwürgt. Neben der Leiche liegt ein Taschentuch mit dem Monogramm MM.
Die Aufklärungsquote
521 Sendungen mit 4586 Fällen lautet die Bilanz nach 50 Jahren und immer noch sind die Einschaltquoten sehr hoch.
Was der aus Herne stammende Rudi Cerne, der seit 2002 durch die Sendung führt, sehr begrüßen dürfte. Denn je mehr Zuschauer, desto höher die Zahl der Hinweise und damit auch die Aufklärungsquote. Die liegt mit 1853 gelösten Fällen derzeit bundesweit bei 40,4 Prozent. 817 dieser Fälle ereigneten sich in NRW, 324 (39,6 %) wurden gelöst.
Es ist ein Fall, der immer rätselhafter und gleichzeitig spannender wird. Die beruflich so resolute und ordentliche Frau war privat Alkohol und Nikotin zugetan und hatte einen männlichen Bekanntenkreis, den ein Ermittlungsbeamter gegenüber der WAZ als „fast unübersehbar groß“ beschreibt. Trotz intensiver Fahndung in Mülheim, Essen und Duisburg gibt es nicht einmal einen Verdächtigen.
Zwölf Jahre später, im April 1977, greift „Aktenzeichen XY... ungelöst“ den Fall auf. Daraufhin gibt es einige neue Hinweise – eine heiße Spur aber ist nicht darunter. Bis heute ist der Fall Luise Stöcker ungeklärt.
Der Torso von Duisburg
Die männliche Leiche schwimmt im Rhein, hat weder Beine noch Arme oder einen Kopf. „Gewaltverbrechen“ mutmaßt die Duisburger Polizei im Oktober 2011, kann den Torso aber ein Jahr lang weder einer Vermisstenmeldung zuordnen noch einen Täter ermitteln. Im Oktober 2012 zeigt „Aktenzeichen XY... ungelöst“ den Fall, kurz darauf ist er gelöst.
Ein Anrufer erzählt von einem seit einem Jahr vermissten Nachbarn. Die Polizei besorgt sich die DNA des Vermissten und stellt fest, dass sie mit der DNA aus den Knochen der Wasserleiche übereinstimmt. Weil die errechnete Größe des Toten aufgrund einer fehlerhaften Formel in einem Lehrbuch der Gerichtsmedizin falsch ermittelt wurde, passten Leichenfund und der Vermisste anfangs nicht zusammen. Aus dem Mord wird ein Selbstmord, die fehlenden Gliedmaßen, heißt es nun, seien wohl von Schiffsschrauben abtrennt worden. Die Akte wird geschlossen.
Spurlos verschwunden
Am 17. September 2013 warten die Bewohner der Heimstatt Engelbert in Essen, einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung, vergeblich auf Pierre Pahlke. Die Polizei sucht den 21-Jährigen in den folgenden Tagen mit Hochdruck, findet aber keine Spur. Im Mai 2014 beschäftigt sich eine Spezialausgabe „Aktenzeichen XY... ungelöst“ mit dem Fall. Gut hundert Hinweise gibt es anschließend, aber „einen entscheidenden neuen Ermittlungsansatz haben wir leider nicht erhalten“, sagt der damals ermittelnde Kriminalhauptkommissar Ralf Menkhorst und bedauert: „Wir treten weiter auf der Stelle.“
Mittlerweile hat die Polizei die Ermittlungen eingestellt. „Die Akte liegt aber noch auf dem Schreibtisch“, hat Polizeisprecher Peter Elke dieser Zeitung anlässlich des vierten Jahrestages von Pierres Verschwinden gesagt. „Gibt es neue Erkenntnisse oder Hinweise, kann der Fall schnell wieder an Fahrt aufnehmen.“