Essen. . Imkern wird im Ruhrgebiet immer beliebter. Seit Kurzem stellt die Deutsche Bahn brachliegende Flächen für Bienenvölker zur Verfügung
„Bahnanlage“ steht auf dem Schild. Und dass „Unbefugten“ das Betreten verboten ist, ist dort auch zu lesen. Für Ulf Brinkmann und Claudia Bautsch kein Problem. Sie sind befugt, auch wenn sie mit der Bahn gar nichts zu tun haben. Aber sie sind Hobby-Imker. Und denen stellt die Deutsche Bahn seit kurzem kostenlos Brachflächen für die Insekten zur Verfügung. Bundesweit 500 sind es bisher, für die sich mehr als 1600 Imker beworben haben. Brinkmann und seine Freundin sind die ersten im Ruhrgebiet, die dort Honig produzieren, wo früher Züge vorbeirasten.
Unter herabhängenden Zweigen geht es über einen schmalen, leicht schlammigen Pfad weg von der Straße im Südosten von Essen. Je leiser der Lärm wird, desto besser ist das Summen der Bienen zu hören. Dann schwirren sie auch schon um den Besuch herum. Mitten in der Stadt und doch in der Natur. „Wir haben lange gesucht, um so etwas zu finden“, sagt der 39-Jährige. Viele suchen so etwas. Denn Imkern in der Stadt wird schon seit einiger Zeit immer beliebter. „Die große Nachfrage zeigt, dass wir mit dem Projekt „Bienen bei der Bahn“ einen Nerv getroffen haben“, sagt Andreas Gehlhaar, Leiter DB Umwelt. Einen „Beitrag zur Artenvielfalt in Deutschland“, nennt er die Aktion. „Wir wollen mithelfen, dass neue Lebensräume für Bienen entstehen.“
Bedingungen sind besser als auf dem Land
Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Gut drei Kilometer schwärmen die Bienenvölker in alle Richtungen aus. Und entlang von Schienenwegen und auf vielen, zum Teil brachliegenden Flächen des Konzerns haben sich unzählige Blütenpflanzen angesiedelt, die als wichtige Nahrungsquelle dienen. Umgekehrt sind rund 80 Prozent der 2000 bis 3000 heimischen Nutz- und Wildpflanzen auf Bienen als Bestäuber angewiesen. Der wirtschaftliche Nutzen ihrer Bestäubungsleistung wird allein in Deutschland auf jährlich zwei bis vier Milliarden Euro geschätzt. Und anders als auf dem Land, wo oft Monokultur herrscht, schwärmen Stadtimker von einer „guten Blühfolge“. Soll heißen: Kaum ist die Blütezeit der einen Pflanzenart vorbei, beginnt die der nächsten Blume. Zudem werden – anders als auf dem Land – in der Stadt kaum Pestizide gesprüht.
Brinkmann packt die Leidenschaft schon vor Jahren während eines Urlaubes in Österreich. Seine Partnerin zieht mit. „Sonst geht das ja auch nicht.“ Zurück im Ruhrgebiet macht er ein Praktikum in einem Imker-Verein. Das ist der leichtere Teil der Geschichte. Schwieriger ist, einen Platz für die ersten Völker zu finden. „Wir haben“, bedauert das Paar, „nur einen Balkon. Das kann dann irgendwann schwierig werden.“ Auf dem Brachland der Bahn wird es das so schnell nicht. Zwei Völker haben die beiden dort bereits in ihren kistenförmigen Stöcken angesiedelt, sechs sollen es einmal werden. Theoretisch gingen auch mehr, „aber es soll ja ein Hobby bleiben“.
Den Nachbarn am neuen Standort haben sie vorsichtshalber Bescheid gesagt. „Aber die fanden das alle gut“, sagt Claudia Bautsch. Auch bei den Nachwuchsimkern herrscht Begeisterung. Ein paar mal pro Woche fahren sie zu ihren Bienen. „Dauert zehn Minuten, wenn der Verkehrs nicht zu dick ist.“ Vor Ort streifen sie Schutzjacke und -maske über, stülpen lange Handschuhe über die Arme. Die Waben prüfen sie, entnehmen Proben, ernten den Honig, wenn es so weit ist. Ebenso spannend wie entspannend finden sie die Imkerei, ein Zuckerschlecken aber ist die Arbeit nicht. „Es ist schon schwierig, ein Volk durch das Jahr zu bringen“, hat Brinkmann festgestellt. Es macht auch Spaß. „Manchmal“, sagt er, „fühlt man sich wie ein kleiner Farmer.“