Ruhrgebiet. . Das Stadion Rote Erde ist ein Wimmelbild Sport. Zwei Tage kann man hier noch sehen, was Profi-Actionsportler und Amateure auf die Beine stellen.
Andere sehen ein Geländer, Fabian Teusch sieht ein Spielzeug. „Da kann man auf 1000 Wegen drüber“, sagt der junge Dortmunder: springen, flanken, Flugrolle . . . Teusch ist Parkour-Sportler, das sind die, die über Tische und Bänke gehen, über Dächer und Garagen, Tonnen und Zäune, praktisch ohne zu klettern.
Um Teusch herum stehen gerade viele, die wollen das auch, „so frei sein“, sagt ein Mädchen. Im Stadion Rote Erde kann es tatsächlich an Parkour schnuppern: zum Beispiel lernen, wie man sich abrollt, ohne sich am Kopf zu verbeulen.
Mountainbikes schrauben sich in den Himmel
In diesen Tagen ist das Stadion in Dortmund das Herz der „Ruhr Games“, des internationalen Jugendsportfestes, das zum zweiten Mal gefeiert wird. Bis einschließlich Sonntag präsentiert sich auf dem Rasen der Roten Erde der Actionsport, auch mit Profis: Mountainbikes schrauben sich in den Himmel, Motorräder fliegen Salti, da drüben ist ein Freestyle-Fußballer zugange, fängt Bälle mit den Knien, und rechts davon übt der, der mit dem Rad tanzt.
Ein paar Tausend Menschen lassen sich dazwischen treiben, gucken hier zu, machen da mit, viele darunter, die einfach mal schauen wollen, was junge Leute heute sportlich so machen. Gemessen in Warteschlangen-Metern, ist die glasklare Antwort: Torwand.
Feuer und Knoten machen im Schnupperkurs
In Hagen wären dann die Beine der Ruhr Games, hier messen sich Jugendliche in eher klassischen Sportarten. Und in Hamm wäre der Kopf: das internationale Jugendlager. Auch hier gibt es Sport, hier gibt es aber auch Diskussionen über Vielfalt und Einheit, über Doping und Drogen.
Und Schnupperkurse wie „Überleben“, worin es um die hohen Künste des Feuermachens, Knotens und Orientierens geht. Man braucht sie freilich nicht sofort, dazu ist die Organisation dann doch zu gut.
Sie rackern sich ab beim „Bubble Ball“
Rumänen sind hier, Amerikaner, Bosniaken, Franzosen, ein Palästinenser, 16 Nationen, Holländer, Deutsche, ihre Flaggen hängen nebeneinander auf der Bühne. 600 Jugendliche schlafen in Hamm, die meisten in großen weißen Gruppenzelten, und wenn Jenni, die Helferin, morgens wecken geht, dann ruft sie beispielsweise ins Zelt: „Good morning, Brazil!“ Brasilien ist nicht amüsiert. Der Abend war lang. So ein richtiger Jugendlagerabend eben.
Stunden später sieht man dann Mädchen tanzen, Jungen kicken, Cheerleader chearleaden, da hinten spielen welche Tischtennis, andere chillen, und zehn machen das Gegenteil: Sie rackern sich ab beim „Bubble Ball“. Fußball, bei dem jeder in einer schweren Plastikblase steckt.
„Wenn man das hier erlebt . . .“
Fünf Minuten, und man ist kaputt. „Ich habe das einmal gespielt und ich denke, das war das letzte Mal“, sagt Omar. „Ich wusste gar nicht, das es so einen Sport gibt“, sagt ein junger Südafrikaner skeptisch. Bubble Ball dürfte die einzige Variante von Fußball sein, die sich nicht durchsetzt.
Aber darum geht es natürlich auch nicht. Es geht um solche Geschichten, wie Lagerleiter Hanno Krüger sie erzählt: Beim Begrüßungsabend habe jede Gruppe etwas Landestypisches auf der Bühne gezeigt, „Lieder, Tänze, Videos, und am Ende haben alle zusammen einen tschechischen Tanz getanzt. Dann wissen Sie, was Sie ein Jahr vorbereitet haben“, sagt Krüger und ist für einen Moment gerührt: „Wenn man das hier erlebt, fragt man sich, warum soviel Schlechtes auf der Welt passieren kann.“
Sie landen und überleben
Später sind dann viele in Dortmund, sind Bestandteil des Wimmelbildes Sport in der Roten Erde. Gerade schiebt alles zur Gegentribüne hin, vor der Kai Haase und Christian Kleiner mit ihren Motorrädern von der Rampe direkt in den Himmel starten und dabei die merkwürdigsten Verrenkungen machen, bevor sie landen und überraschenderweise überleben.
Bei manchen Sprüngen fliegen sie sogar hinter dem Motorrad, für einen Moment ohne jeden Körperkontakt. Spektakulär.
Großer Jubel um Haase und Kleiner. Die Schlange an der Torwand hat aus der Ferne auch geguckt. Aufgelöst hat sie sich nicht.