Dortmund. Die Ermittler verfolgen Spuren in alle Richtungen. Doch eines scheint klar: Für das Umfeld von Sportereignissen braucht es neue Sicherheitskonzepte.

Beim Bundesligaspiel heute in Dortmund will die Polizei demonstrativ Präsenz zeigen. Im Stadion werden die Beamten mit Schutzwesten und Maschinenpistolen patrouillieren. Auch die beiden Teams von Dortmund und Eintracht Frankfurt reisen wohl so gut bewacht zu einem Spiel an wie nie zuvor. Beim Bundeskriminalamt soll für die Ermittler derweil eine Urlaubssperre gelten. Denn das Bombenattentat auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund stellt die Sicherheitsbehörden vor Rätsel.

Spekulationen um Leipziger Rechte und Dortmunder Hooligans

Islamisten, rechte Fanatiker oder Linksextreme – sie ermitteln in alle Richtungen. Was die Fahnder stutzig macht, sind die Formulierungen im Bekennerschreiben, etwa die Forderungen nach Schließung der Airbase in Ramstein und nach dem Abzug deutscher Tornados aus Syrien. Das passe nicht nur zum IS, ist zu hören, sondern auch zur rechten Szene, etwa zum Leipziger Pegida-Ableger „Legida“.

Auch Dortmunder Hooligans sind im Visier. Seit sie im Februar beim Spiel gegen RB Leipzig Fans der Gästemannschaft attackierten, geht der Verein kompromissloser denn je gegen sie vor. War der BVB nun Opfer einer Racheaktion? Keine noch so unwahrscheinliche Möglichkeit wird ausgeschlossen.

Die Motivforschung ist spekulativ, die praktischen Folgen des Anschlags sind es nicht. Den bislang markantesten Kurswechsel vollzog Bayern München zwei Tage nach der Attacke auf den BVB-Bus: Erstmals und kommentarlos führte der deutsche Fußball-Meister beim Einlass zum öffentlichen Training Sicherheitskontrollen durch. Ordner überprüften bei den rund 2000 Fans die Inhalte mitgeführter Taschen. Leibesvisitationen fanden nicht statt.

Bei Zweitligist Hannover 96 sind schon für das Derby am Samstag gegen Eintracht Braunschweig Rucksäcke und größere Taschen verboten. Andere Klubs prüfen noch Konsequenzen.

In einer Telefonkonferenz mit der Polizei hat NRW-Innenminister Jäger zusätzliche Maßnahmen zum Schutz von Großereignissen angekündigt. Die Polizei alleine werde nicht reichen, auch die Vereine müssten sich fragen, ob sie mehr private Sicherheitsdienste einbeziehen, erklärt der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert. „Wir sollten schauen, wo wir etwas ändern können, vielleicht durch ei­ne andere Begleitung der Busse am Spielort oder eine Änderung der Fahrtstrecken.“ Plickert ist überzeugt, „das wird Auswirkungen auf ganz Deutschland haben, mit solchen Anschlägen muss man auch in anderen Städten rechnen“.

„Der Schutz der Stadien reicht nicht mehr aus.“

Das sieht der Chef des Bundestags-Innenausschusses ähnlich. Ansgar Heveling (CDU) glaubt, dass die Konzentration auf den Schutz von Menschenmengen, etwa in Stadien, nicht mehr ausreicht. Vielmehr müssten künftig auch Anfahrtswege, insbesondere von Aktiven, sowie das Umfeld von Veranstaltungen beachtet werden.

Im Fokus steht bald auch Düsseldorf mit seinem „Sportsommer“. Die Landeshauptstadt richtet die Tischtennis-WM aus (29. Mai bis 5. Juni), den Triathlon-EM (24./25. Juni) und den Auftakt der Tour de France (1./2. Juli). Wegen ihrer Austragung unter freiem Himmel und der vielen zuschauer an den Strecken sind die Triathlon-EM und das Radrennen besonders schwierig zu schützen. Die Sicherheitskonzepte werden derzeit überprüft.

Die Polizeipräsenz an und in den Stadien hat viel mit Psychologie zu tun, dient dem Sicherheitsgefühl. Sie bedeutet nicht, dass es Hinweise auf eine Gefährdung gäbe. Bezeichnend ist, dass die Bundespolizei heute in Dortmund – anders als am Mittwoch – ihre Anti-Terroreinheit BFEplus nicht in Alarmbereitschaft versetzt hat. Das klassische Hochrisikospiel findet an diesem Wochenende vielmehr in der zweiten Liga in Hannover statt. Beim Derby gegen Braunschweig liegt immer Gewalt in der Luft, nicht wegen Terroristen, sondern wegen Hooligans. (mit sid)