. Mehrere hunderttausend Bahn-Pendler sind auf der Hauptstrecke zwischen Dortmund, Duisburg und Köln unterwegs. Täglich. Und fast jeden Tag werden sie von Sperrungen betroffen, die die Bahn mit „Personen im Gleis“ oder „Personenunfällen“ begründet. Drei Mal war das aktuell so in dieser Woche. Bahn-intern wird jetzt bundesweit diskutiert, ob es hilft, die Trassen stärker abzuriegeln.

Mehrere hunderttausend Bahn-Pendler sind auf der Hauptstrecke zwischen Dortmund, Duisburg und Köln unterwegs. Täglich. Und fast jeden Tag werden sie von Sperrungen betroffen, die die Bahn mit „Personen im Gleis“ oder „Personenunfällen“ begründet. Drei Mal war das aktuell so in dieser Woche. Bahn-intern wird jetzt bundesweit diskutiert, ob es hilft, die Trassen stärker abzuriegeln.

Montagabend: Um 20 Uhr kommt es auf der westlichen Hauptstrecke durch das Revier zu Verspätungen, Teilausfällen und Umleitungen. Grund ist ein Notarzteinsatz. Fünf Regionalexpress-Linien und drei S-Bahn-Linien sind betroffen.

30 Stunden später, am frühen Mittwochmorgen: Der Betrieb zwischen den Revierstädten Duisburg und Essen ist erneut unterbrochen. „Gegen 7.55 Uhr meldete der Zugführer einer S-Bahn eine leblose Person im Gleis“, so die Bundespolizei. Stundenlang geht nichts mehr. „Polizeiliche Ermittlungen“ haben Vorrang vor einem fahrplanmäßigen Betrieb.

Unerlaubtes Betreten der Gleise kann richtig teuer werden

Donnerstagabend um 19 Uhr, noch zur Rushhour. „Notarzteinsatz im Gleis“ zwischen Bochum und Wattenscheid. Mehr als zwei Stunden ist der Verkehr unterbrochen. RE 1, RE 6 und RE 11 sowie die S 1 sind lahmgelegt. Die Bahn richtet zwischen Essen Steele-Ost und Bochum einen Taxi-Dienst ein.

Solche Betriebsunterbrechungen – zu einem Teil sind Selbstmorde die Ursache – gehören zum Alltag von Eisenbahnern und ihren Fahrgästen in der Region. Die DB-Direktion für Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf bestätigte unserer Redaktion erstmals Zahlen: Danach liegt die Größenordnung der Vorfälle mit „Personen im Gleis“ NRW-weit bei rund 1300 im Jahr „inklusive Unfälle und Suizide“. Das bedeutet: Im Schnitt passieren zwischen drei und vier solcher Vorgänge am Tag. Die Zahl sei über die letzten Jahre konstant geblieben, sagt ein Sprecher der Bahn.

Immer wieder missachten Menschen das strikte Verbot, Gleise zu betreten – was bis zu 5000 Euro Geldbuße kosten kann oder im Extremfall auch eine Straftat mit Haft bedeutet. Denn der Verstoß hat fast immer Folgen für den Fahrplan. Wenn beispielsweise ein Lokführer beobachtet, wie Personen die Gleise überqueren oder sich in unmittelbarer Nähe aufhalten, müsse er dies melden und die Strecke dann mitunter gesperrt bleiben, bis die Bundespolizei den Sachverhalt geklärt habe, heißt es in Düsseldorf. Auswirkungen seien unterschiedlich – nahe eines Knotenbahnhofs sind sie eben schwerwiegender als auf einer Nebenstrecke.

Bisher hat es die Deutsche Bahn abgelehnt, Trassen durch Zäune zu schützen, so, wie es Briten oder Norweger machen. Grund: Zäune für ein Netz von 33 000 Kilometer auch durch bewohnte Gebiete sind ein riesiger Aufwand. Ihre Länge würde zwei Mal um den Äquator reichen. Und manche Lücken seien auch dann nicht zu schließen, zum Beispiel an Bahnübergängen.

Doch das Tabu wackelt. Schon vor Jahren hatte der Berliner Bahn-Experte Prof. Markus Hecht die Einzäunung zumindest der Hochgeschwindigkeitsstrecken gefordert. Dies könne die Zahl der bundesweit jährlich 800 Suizide auf Gleisen senken und trage zur Stabilität des Fahrplans bei. Jetzt macht das Staatsunternehmen einen Schritt in diese Richtung.

Bayern wählt einen anderen Weg als NRW

In Bayern rüstet es wichtige Abschnitte der S-Bahn-Stammstrecke München mit zwei Meter hohen Zäunen aus, nachdem es dort im Jahr 2016 alleine 318 Vorfälle wegen „Personen im Gleis“ gegeben hatte. Die Zäune sollen die „externen Störfaktoren“ mindern, sagte ein bayerischer Bahnsprecher. Ob es helfe, könne niemand sagen. Doch die Aktion wird ausgedehnt. Die Münchner Bahn-Manager sind in Grundstücks-Verhandlungen mit weiteren Streckenanliegern.

Die Bahnstrecken in Nordrhein-Westfalen zwischen Köln und Duisburg und von Duisburg nach Dortmund sind nicht weniger stark befahren als die Münchner Stammlinie. Ist die Errichtung von Zäunen auch im Rhein-Ruhr-Raum eine Möglichkeit, die Zahl der Sperrungen zu reduzieren? Der Bahn-Sprecher in Düsseldorf ist davon nicht überzeugt. „Die Errichtung von Zäunen entlang dieser Strecken ist derzeit nicht geplant“. Er sagt: Nicht nur, dass die „rechtliche Verpflichtung“ fehle. Es könne sogar gefährlich werden: Dann, wenn Zäune Rettungskräfte am Zugang hindern.

Erst hätten Prävention und Aufklärung Vorrang, sagt er. Gemeinsam mit der Bundespolizei spricht man Kinder und Jugendliche an und macht sie auf die Gefahren des „Spielplatzes Bahndamm“ aufmerksam. Selfies machen im Gleis? Das kann tödlich sein.