Düsseldorf. In Düsseldorf ringen Flughafen und Lärmgegner um einen neuen Antrag. 13 Flüge mehr pro Stunde sind geplant – mit Folgen für Zehntausende.

  • In der Messe Düsseldorf wird über eine Kapazitätserweiterung des Flughafens diskutiert
  • Betroffene klagen: Belastungsgrenze sei erreicht
  • NRW-Verkehrsministerium muss eine Entscheidung fällen

Am Mittag brandet der Applaus unter den 200 Zuhörern kurz auf. Ursula Puschmann ist aufgeregt, sie hat sich das Mikrofon geschnappt, legt ohne Einleitung los: „Die Flugzeuge dröhnen seit Jahren über unser Haus in Willich, ich bin ein Nervenbündel, wie Sie sehen“, ruft die Mutter und Hausfrau in den Saal, „wie kann es sein, dass die Wirtschaft mit ihren Belangen immer wichtiger ist, als die Gesundheit der Menschen?“

Keine schnelle Entscheidung über Erweiterung

Eine schnelle Antwort darauf wird sie nicht bekommen, es ist der erste Tag in einer Debatte darüber, ob der Düsseldorfer Flughafen künftig mehr Starts und Landungen abwickeln darf. Oder wie es die Bezirksregierung in ihrer Einladung formuliert hat: ein „Erörterungstermin im Planfeststellungsverfahren (...) zur Kapazitätserweiterung“.

Klingt bürokratisch, hat aber, je nach Ausgang, konkrete und vor allem hörbare Folgen für Zehntausende in: Essen, Duisburg, Mülheim, Meerbusch, Ratingen, Kaarst, Willich, Tönisvorst und natürlich auch in Düsseldorf. Alle haben ihre Vertreter in die Landeshauptstadt geschickt: Verkehrsexperten, Umweltfachleute, Stadtplaner, Lärmforscher. Und jede Menge Anwälte.

Bis zu 13 Flüge mehr pro Stunde

Bis zu 13 Flüge mehr pro Stunde, das macht selbst nach defensiven Prognosen des Flughafens rund 40 000 Bewegungen mehr im Jahr, auf dann 254 000. „Wo soll das enden?“, fragt Jürgen Weichelt vom Kettwiger Verein „Bürger gegen Fluglärm“, der das Ringen um Starts und Landungen seit Jahrzehnten aktiv begleitet.

Sein Vorsitzender Christoph Lange zieht einen Handkarren mit Aktenordnern hinter sich her, seit mehr als zwölf Jahren steht er an der Spitze der Bewegung und zählt nicht nur die Landungen nach 23 Uhr. Mehr als 2000 waren es 2016. „Wenn der Flughafen noch mehr Flüge bekommt, werden die Verspätungen explodieren“, fürchtet er. „Allgemeinplätze“, dass sich die Wirtschaft mehr Flüge wünsche, „reichen doch nicht für eine neue Genehmigung“, findet er.

NRW-Verkehrsministerium erscheint nicht

Entscheiden muss am Ende das NRW-Verkehrsministerium. Es glänzt bei der Erörterung durch Abwesenheit und liest später die Protokolle. „Eine Frechheit ist das“, schimpft Jürgen Hartmann aus Duisburg.

Der Flughafen hat 17 Gutachten herangeschafft, die belegen sollen, warum er in der Hälfte seiner Betriebszeit mehr will. Vor allem mehr Zubringerflüge will Airport-Chef Thomas Schnalke, um die Flieger nach Asien und in die USA zu füllen. Er gibt sich optimistisch, dass der Flughafen mit seinen Argumenten durchdringt.

Christoph Lange von der Initiative „Bürger gegen Fluglärm“ kam gut vorbereitet zum Anhörungsverfahren in die Düsseldorfer Messe.
Christoph Lange von der Initiative „Bürger gegen Fluglärm“ kam gut vorbereitet zum Anhörungsverfahren in die Düsseldorfer Messe. © Kai Kitschenberg

Die Gegner weisen gern auf die traditionell guten Beziehungen zwischen Airport und Verkehrsministerium hin.

Bürgerinitiativen und Städte halten mit 16 Gutachten dagegen, 76 Punkte stehen auf der Tagesordnung, die so zur Wochenordnung wird. 227 Wortmeldungen von rund 80 Rednern sind registriert, am Nachmittag sind es noch 195. Die Bezirksregierung hat die Messehalle 1 mit 500 Plätzen für eine Woche geblockt. „Das wird nicht reichen“, orakelt Verwaltungsmann Lars Sievert aus Willich.

„Die Belastungsgrenze ist erreicht“

Die Kritik am Antrag des Flughafens ist saftig. Heinrich Westerlage von der Stadt Meerbusch spricht mit Blick auf Lärmentwicklung und Sicherheitsfragen von „fast menschenverachtenden Argumentationen“, Michael Stallmann vom Mülheimer Amt für Umweltschutz ist „entsetzt über die Unterlagen“, Werner Kindsmüller aus Kaarst findet, dass der Flughafen sich nicht um öffentliche Belange kümmere, Essens Chef-Stadtplaner Ronald Graf resümiert nüchtern, dass „die Belastungsgrenze erreicht“ sei.

Die Anwälte des Flughafens halten sich zurück. Sie werden ihr Zahlenwerk in den nächsten Tagen auffächern und ins Juristen-Pingpong mit der Gegenseite einsteigen. Dann sitzt Ursula Puschmann längst wieder daheim und zählt die Flugzeuge über ihrem Dach.