Hattingen. . In Hattingen kämpft eine Initiative für die Erhaltung der Buhnen im Ruhrbogen. Sie bezeugen die Industrialisierung. Vielleicht nicht mehr lange.
Von oben, von der Ruine der Isenburg aus, ist der Anblick im Sommer wunderschön: Die Ruhr da unten, wie sie eine Schleife macht von 180 Grad, die Bäume, die Wiesen und das Ufer, das aussieht, als bestehe es aus einer Abfolge ganz kleiner Buchten. Was für ein Geschenk der Natur!
Nur ist es keines.
So sieht die Ruhr aus, seit der Mensch sie zwang, Schiffe zu transportieren, Schiffe mit Kohlen. Sie wurde enger, schneller, tiefer für die Pötte. Und die vermeintlichen Buchten werden in Wahrheit begrenzt von einer dichten Abfolge kleiner Dämme, die wegen der Schiffbarkeit des Flusses gebaut wurden.
„Wir haben eigentlich ganz viel erreicht“
Buhnen heißen sie, 142 sind sie und stehen im Mittelpunkt eines Streits, der Hattingen seit Jahren entzweit. Die Entscheidung naht. Naturschutz gegen Denkmalschutz.
Gerd Walther hat einen ordentlichen Ordner beisammen. Briefe, Zeitungsausschnitte, Post von Behörden, Bescheide, weitere Zeitungsausschnitte, noch mehr Post von Behörden, Briefe, die erst noch verschickt werden müssen . . . „Wir haben eigentlich ganz viel erreicht“, sagt der 76-jährige Sprecher des „Initiativkreises zum Erhalt des Ruhrbogens“.
Der Ruhr ihre Aue zurückgeben
Es ist eine sehr schräge Front hier in Hattingen. Es ist nicht der Klassiker, nicht: Menschen wollen die Natur gegen Verwertung schützen. Sondern die Initiative wendet sich gegen die geplante Renaturierung der Ruhr an dieser Stelle – und will die Buhnen erhalten sehen, einen frühen Fußabdruck der Industrialisierung.
„Unser Zollverein“, sagt Walther. Manche Menschen halten die Buhnen, da sie anscheinend ja schon immer da sind – sogar für natürlich.
An einigen Stellen ist die Ruhr schon renaturiert. Bei Arnsberg. Bei Neheim. Demnächst bei Witten. Das Regierungspräsidium Düsseldorf treibt den Prozess in Hattingen voran. Das Ziel ist eigentlich, der Ruhr ihre Aue zurückzugeben.
„Lebensraumqualität“ erhöhen
„Eine aufgeweitete Ruhr mit Flutrinnen, die von Inseln umrahmt werden, mit Kies- und Schotterbänken, außerdem zeitweise Wasser führende Stillgewässer, die sich nach Hochwasser bilden, um danach zu verschwinden.“ So werde auch die „Lebensraumqualität“ erhöht.
Die Buhnen sollten dafür weg, doch vor zwei Jahren gab es einen Kompromiss: 40 Prozent würden fortbestehen, so wie sie sind, 30 Prozent würden verschwinden und weitere 30 Prozent würden zu Inselchen in der mäandernden Ruhr.
Doch dann hat die Gruppe um Walther, wohl nicht ganz ohne Hintergedanken, die Denkmalschützer angerufen. Bei der Bezirksregierung – Arnsberg. Sie steht kurz davor, 7,2 Kilometer Ruhr zwischen Hattingen und Bochum in die Denkmalliste einzutragen. Weil sich die Schiffbarmachung hier abbildet. In den Wehren, im Leinpfad, in den: Buhnen.
„Da sind Fische drin, da sind Krebse drin“
So kam es, dass sie in Arnsberg am Eintrag der Buhnen in die Denkmalliste arbeiteten und in Düsseldorf an einem Planfeststellungsverfahren, sie teilweise zu beseitigen.
Es gebe daher, sagt ein Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg, „Gespräche auf Fachebene, um beides zu berücksichtigen“. Es wäre, wenn man so will, die Quadratur der Buhne.
Rein ökologisch jedenfalls habe „die Ruhr dort Luft nach oben“, sagt Isolde Füllbeck aus der Ortsgruppe Hattingen des Naturschutzbundes Deutschland: „Da sind Fische drin, da sind Krebse drin, aber man kann nicht sagen, der Fluss ist wieder lebendig.“ Am Ende des Verfahrens könne „auch erwogen werden, dass Wasser wichtiger ist als Denkmalschutz“.