Zehn Jahre nach Kyrill geht es in den Wäldern wieder voran
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Balve. . Zehn Jahre nach dem verheerenden Orkan Kyrill, der vor allem NRW traf, geht es langsam voran. Ein Waldbauer aus dem Sauerland berichtet.
Natürlich hat er Fotos aus jener Zeit. Ganze Alben voll. Obwohl er sie nicht braucht. Weil Bernward Lösse nie vergessen wird, was er gesehen hat, als es hell wird am 19. Januar 2007 und er aus dem Fenster seines Jungferngutes schaut. Dort, wo am Abend zuvor noch seine Wälder standen, ist kein Baum mehr. „Alles war weg. Einfach weg.“ Am Morgen nach Kyrill.
Viele Waldbesitzer im Sauer- und Siegerland hat der Orkan damals hart getroffen. Kaum einen so hart wie die Familie aus Garbeck bei Balve. 300 Hektar Wald hatte Lösse. Zwei Drittel hat Kyrill gekappt, fast ausschließlich die wertvollen Altbestände. „Da ist in einer Nacht so viel Holz gefallen, wie wir sonst in 32 Jahren schlagen.“ Das tat weh, tut es bis heute. „Wir hatten ja sonst nichts. Kein Vieh, keine Äcker.“ Und keine Versicherung gegen Windbruch. Gab es nicht. War auch nie ein Thema. „Stürme gab es immer wieder.“
Zum Jammern bleibt damals keine Zeit. „Das Holz musste ja irgendwie weg.“ Schweres Gerät und wagemutige Arbeit ziehen die gefallenen – oft unter Spannung stehenden - Stämme aus dem Wald. „Ich bin bis heute dankbar, dass nichts passiert ist“, sagt der Sauerländer. Lösse verhandelt mit Sägewerken. Alle Waldbauern machen das. So viel Holz ist auf dem Markt, dass der Preis für den Festmeter schnell um fast 25 Euro sinkt.
Was nicht schnell einen Abnehmer findet, kommt in spezielle Lagerstätten. „Die haben natürlich auch gekostet.“ Bis 2013 vermarktet der Pool der örtlichen Forstbetriebsgemeinschaft das gefallene Holz. „Klar habe ich daran etwas verdient“, sagt Lösse. „Aber bei weitem nicht so viel wie unter normalen Umständen.“ Seitdem erntet er „einen Bruchteil“ von dem, was er vor Kyrill jedes Jahr erntete.
Dem Nadelholz bleibt er treu
Irgendwann wird sich das ändern. Denn das vom Sturm gefällte Holz liegt noch am Rande der Waldwege, da beginnt Lösse bereits mit der Wiederaufforstung. Er pflanzt weniger Fichten, bleibt aber dem schnell wachsenden und bei der Holzindustrie beliebten Nadelholz durch Douglasien, Pazifische Edel- und Große Küstentannen treu. Buche und Eiche sind zwar willkommen, müssen sich aber durch Naturverjüngung, also angeflogene Saat, selber anpflanzen. Von einer „klimaangepassten Vegetation“ mit 50 Prozent Laub- und 50 Prozent Nadelwald, wie sie NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) und viele Förster wünschen, ist Lösse weit entfernt.
Ein schwieriges Thema, zu dem sich der Garbecker zurückhaltend äußert. Man solle mal schauen, was dran sei an den angeblich dem Sturm trotzenden Laubbäumen. „Genau die sind beim Orkan Ela 2014 reihenweise umgefallen.“ Im übrigen bewege er sich nicht nur im Rahmen der Gesetze, sondern habe bei der Wiederaufforstung nahezu komplett auf staatliche Beihilfen verzichtet, um „Herr in den eigenen Wälder zu bleiben“. In den Wäldern, von denen er seit 40 Jahren lebt, mit denen er sich auskennt. „Ich weiß, was ich tue.“
Zum Beweis bittet der 59-Jährige ins Freie. „Ich zeige ihnen mal etwas.“ Gut zehn Minuten geht es mit dem Allradler im Schneeregen durchs Gelände, dann ein Stück zu Fuß weiter und schließlich steht man in einer Gruppe junger Douglasien. „2008 gepflanzt und schon mehrere Meter hoch“, sagt Lösse.
10 Jahre Kyrill
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Vieles was auf der Rückfahrt aus dem Auto heraus zu erkennen ist, macht Lösse Freude. Auf den meisten Flächen, die durch Kyrill kahl und karg geworden waren, wächst etwas. „Es geht voran“, sagt der Waldbauer. So gut, dass trotz anderslautender Prognose 2007 doch eines der drei Kinder den Betrieb in ein paar Jahren übernehmen kann. „Aber nur als Nebenerwerb“, schränkt Lösse ein. Erst seine Enkel oder Urenkel, schätzt er, werden wieder von den Erträgen des Waldes allein leben können. Aber das ist in Ordnung. „In unserer Branche plant man nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten.“
Das macht die Sorgen manchmal auch ein wenig kleiner. Furcht vor einem neuen Sturm von der Stärke Kyrills hat Lösse nicht. „In den nächsten Jahren ist doch kaum etwas da, was umfallen kann.“
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