Ruhrgebiet. . Die Wochenmärkte im Ruhrgebiet verlieren Kunden und Händler. Schuld sind vor allem große Supermärkte. Neue Öffnungszeiten sollen Erfolge bringen.

„Frohes Neues, ich hätte gerne zehn braune Eier.“ Die Kundin auf dem Bottroper Wochenmarkt möchte außerdem noch Zwiebeln und Kartoffeln. „Mit fünf Euro sind Sie dabei“, sagt die Händlerin „und hier noch einen Lutscher für Ihren Sohn zuhause.“ Am Marktstand von Marie-Luise Köpper herrscht eine familiäre Atmosphäre. Ihre Stammkunden kennt sie genau. Denen mache auch das fiese Regenwetter an diesem Morgen nichts aus, sagt die 54-Jährige.

In der Bottroper Innenstadt läuft der Wochenmarkt gut, sagt Stadtsprecher Thorsten Albrecht. Er sei ein richtiger „Anziehungspunkt“. Davon können andere Städte im Ruhrgebiet nur träumen: „Der Wochenmarkt hat als Nahversorger ausgedient“, sagt etwa Wolfgang Fröhlich, Vorsitzender der Verwertungs- und Betriebs-GmbH, die in Essen für die Wochenmärkte zuständig ist. Discounter und Supermärkte seien bei den meisten Kunden einfach beliebter.

Supermärkte punkten mit Öffnungszeiten

Die haben für viele auch einen klaren Vorteil: ihre Öffnungszeiten. „Die meisten Berufstätigen haben vormittags keine Zeit, um auf dem Wochenmarkt einzukaufen“, weiß auch Dirk Hagemann, Marktmeister in Hattingen.

Vereinzelt geben deshalb zum Beispiel in Marl und Herne die Händler ihr Geschäft ganz auf. In Herne sollen jetzt die Standgebühren um mehr als 20 Prozent erhöht werden, um die Kosten weiterhin zu decken. In Oberhausen wurde jüngst sogar ein ganzer Markttag gestrichen.

Händler haben ein Generationsproblem

Beide Maßnahmen der Städte stoßen auf viel Unmut bei den Händlern. Auch in Essen musste man aus Kostengründen den Service zurückschrauben: „Früher gab es bei uns ein Rund­um-sorg­los-Pa­ket, jetzt müssen auf einigen Märkten die Händler selbst sauber machen“, sagt Wolfgang Fröhlich.

Hinzu kommt noch ein Generationsproblem: Die Händler finden keinen Nachwuchs. Davon bleibt auch der Bottroper Markt nicht verschont. „Keines meiner drei Kinder will den Stand übernehmen“, sagt Gemüsehändler Wenzel van Husen. Seit 1951 steht seine Familie hier auf dem Wochenmarkt. In etwa vier Jahren allerdings wird damit Schluss sein. „Länger schaffe ich diese Arbeit einfach nicht“, sagt der 61-Jährige.

Bochum und Essen setzen auf den Nachmittag

Gegen den Besucherschwund suchen die Städte nach Lösung: Viele wollen die Öffnungszeiten ändern, um wieder mehr Kunden zu gewinnen. „Auch bei uns wird es unter der Woche auf den Nachmittag hinauslaufen“, sagt Dirk Hagemann aus Hattingen.

In Essen-Holsterhausen gibt es bereits einen reinen Nachmittagsmarkt und in Duisburg wird über ähnliche Konzepte nachgedacht. Auch sogenannte Feierabendmärkte, wie zum Beispiel in Bochum, sind beliebt. Ab Ende März wird in der Essener Innenstadt regelmäßig ein Markt von 16 bis 20 Uhr öffnen.

Herne und Marl bilden Arbeitsgemeinschaften

Die Städte Marl und Herne haben zunächst Arbeitsgemeinschaften mit den Händlern gebildet. Dort sollen Ideen gesammelt werden, um den Markt für Kunden attraktiver zu machen, aber auch über die Kosten der Müllentsorgung wird nachgedacht.

Peter Joppa, der für die Märkte in Duisburg zuständig ist, blickt trotz allem zuversichtlich in die Zukunft. Dieses „Einkaufen von Mensch zu Mensch“ mache den Markt einmalig. „Die Menschen verabreden sich auf dem Markt, nicht auf dem Supermarkt-Parkplatz“, sagt Joppa, „und ich hoffe, dass sich das auch so schnell nicht ändern wird“.

Markt bleibt ein sozialer Treffpunkt

Die Bottroperin Helga Hausmann weiß, was er meint. Um elf Uhr ist sie mit ihrem Einkauf auf dem Wochenmarkt fertig. Mit Regenschirm und voller Einkaufstüte schlendert sie durch die Fußgängerzone. „Ich gehe jetzt seit 40 Jahren auf diesen Markt. Meistens zweimal in der Woche“, sagt die 70-Jährige. „Hier kommen sogar Bekannte aus Gladbeck hin. Eigentlich treffe ich immer jemanden.“ Auch deshalb wird sie am morgigen Samstag wieder hier sein – egal bei welchem Wetter.