Bocholt. . Thomas Purwin, SPD-Chef der Stadt Bocholt, hat vor den Hass-Mails gegen sich und seine Familie kapituliert: Der 35-Jährige ist zurückgetreten.
- Nach massiven Anfeindungen hat Thomas Purwin, SPD-Chef aus Bocholt, sein Amt niedergelegt
- Purwin sieht seine Flüchtlingspolitik als Auslöser für Drohungen gegen seine Familie
- Viele Politiker werden Opfer anonymer Hetzer im Internet, die später aber kaum zu ermitteln sind
„Ja, ich habe Angst“, sagte Thomas Purwin, als ihn die WAZ im Oktober traf. Jetzt hat Bocholts SPD-Chef kapituliert vor den Hass-Mails, die seine elektronischen Postfächer im Dienst und privat seit Monaten fluten: Der 35-Jährige ist gestern von seinem Amt zurückgetreten.
„In der Partei waren sie schon geschockt, als ich ihnen mitgeteilt habe, dass ich meinen Hut nehme“, erzählt Purwin, „aber es haben natürlich auch alle Verständnis für meine Entscheidung.“ Im Oktober hatte die Bocholter SPD wegen der Anfeindungen gegen Purwin bereits einen Parteitag abgesagt.
Seine Tochter wurde beschimpft
Den Ausschlag habe eine Mail am Sonntag gegeben, in der ein Unbekannter erstmals Purwins zweijährige Tochter und seine Lebensgefährtin (37) beschimpfte und bedrohte. „Die Wortwahl ist so krank und abartig, dass ich sie gar nicht wiederholen möchte“, sagt er.
Er selber sei irgendwie mit den primitiven Anwürfen zurecht gekommen. „Aber wenn die Familie mit reingezogen wird, ist einfach Schluss, dann hält man das nicht mehr aus.“
Purwin glaubt, dass seine offensive Verteidigung der Flüchtlingspolitik auf Facebook den Absender provoziert habe. „Ich nehme kein Blatt vor den Mund und bin halt dadurch angreifbar.“
Anonyme Hetzer sind schwer aufzustöbern
74 NRW-Politiker sind laut Statistik in diesem Jahr bedroht oder gar angegriffen worden, die Stimmung ist aufgeheizt, die anonymen Hetzer im Netzdschungel schwer aufzustöbern.
Auch die Täter im Fall Purwin sind noch nicht erwischt worden. „Ich leite alle Mails weiter an die Polizei, der Staatsschutz ermittelt, aber konkrete Ergebnisse gibt es wohl noch nicht“, berichtet Purwin.
Er hoffe, dass mit seinem Rücktritt von der SPD-Spitze nun Ruhe einkehre. „Garantiert ist das nicht, aber der oder die haben ja jetzt ihr Ziel erreicht“, sagt er kühl und ohne Verbitterung in der Stimme. Purwin, der das Standesamt der Stadt im Münsterland leitet, will sich nun ganz auf Familie und Job konzentrieren.
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat sich empört über die E-Mail-Hetze, die zum Rücktritt des Bocholter SPD-Chefs Thomas Purwin geführt hat. "Entsetzt, aber auch wütend bin ich, dass rechte Hetzer mit ihren Hass-Mails Menschen so zermürben und einschüchtern, dass sie ihre Arbeit für unsere kommunale Demokratie einstellen müssen", sagte sie der Redaktion. "Wir müssen uns mit aller Entschlossenheit und Konsequenz diesen Angriffen auf unsere Demokratie entgegenstellen, denn diese Hetze trifft uns alle", fügte sie hinzu. Sie habe aber Verständnis dafür, dass Purwin sich um seine Familie sorge.