Gelsenkirchen. Dickes Minus in der Kasse gefährdet Arbeitsförderungsgesellschaft. Mitarbeiter verzichten auf Weihnachtsgeld. Externer Berater soll Unternehmen aus der plötzlichen Krise retten. Geschäfte laufen weiter.

Die Krise kam vermeintlich über Nacht: Noch im Sommer schrieb die GABS, die Arbeitsförderungs- und Qualifizierungsgesellschaft von gleich drei evangelischen Kirchenkreisen in der Emscher-Lippe-Region, schwarze Zahlen, dann stand der Geschäftsführer Mitte Oktober vor dem verblüfften Aufsichtsrat und sagte: "Wir haben ein Riesenproblem."

Das "Problem" beziffert sich auf satte 870 000 Euro, die dem kirchlichen Bildungsträger, einem der größten in der Region mit 2000 Teilnehmern in weit über 100 Qualifizierungsmaßnahmen, fehlen. Die Insolvenz drohte. Wen wundert's, dass die Unruhe unter den 350 Beschäftigten groß ist.

Am Montag wurden sie zur Mitarbeiterversammlung aus den 38 Standorten in neun Städten von Dorsten über Recklinghausen bis Bottrop und Gladbeck in Gelsenkirchen zusammengetrommelt und mit der Notlage konfrontiert. Ihr Verzicht auf Weihnachtsgeld und Einmalzahlungen spülen jetzt kurzfristig 730 000 Euro in die Kasse. Das verhindert freilich nur Schlimmeres, das Minus bleibt.

Erst gestern bestätigte der Aufsichtsratvorsitzende Hans-Joachim Dohm offiziell, dass die Gesellschaft "Leck geschlagen" ist. Erklären kann sich das der Pfarrer, der für die Gesellschafter-Kirchenkreise Gelsenkirchen-Wattenscheid, Herne sowie Gladbeck-Bottrop-Dorsten spricht, aber nicht: "Das kam völlig überraschend. Wir müssen nun präzise wissen, was da passiert ist", so Dohm, der zugleich versichert: Die Geschäfte gehen weiter, alle Arbeitsförderungs- und Qualifizierungsmaßnahmen laufen weiter. Keiner der 2000 Teilnehmer müsse sich sorgen. "Ich bin kein Abwickler, ich bin Pfarrer", betont der 64-Jährige.

Für die Sanierung holten sich die kirchlichen Träger einen externen Berater, derweil der Geschäftsführer beurlaubt wurde. "Die GABS hat ein Leck, das Schiff sinkt aber nicht. Aber das Leck ist unter Wasser und damit schwer zu finden", so Frank-Peter Finke-Oltmann vom IJOS-Institut aus Georgsmarienhütte, das sich auf die Beratung von Unternehmen und Trägern in der Sozialwirtschaft spezialisiert hat und schon öfter Krisenmanagement betrieb. "Hochproblematisch" sei es, dass die GABS so schnell in Schieflage geraten sei. Das sei ziemlich einmalig.

Vom "hart umkämpften Markt" zwischen Trägern um die Qualifizierungsaufträge für lehrstellenlose Jugendliche oder Langzeitarbeitslose spricht Dohm und fürchtet nun "Aasgeier". Viele kleine Träger sind mittlerweile verschwunden. Förderkulissen und Vergaberichtlinien haben sich geändert, die Branche spricht von einer teils "ruinösen" Preispolitik um Aufträge.

Das Gelsenkirchener Integrationscenter für Arbeit oder auch die Vestische Arbeitsgemeinschaft führen unterdessen keine Klagen über die GABS. "Wir sind mit der Arbeit zufrieden. Die Leute wurden gut qualifiziert", lobt Ulrich Kupke von der Vestischen.

Schon vor rund drei Jahren kriselte es bei der GABS, holte man sich eben den jetzt beurlaubten Geschäftsführer als ausgewiesenen Kaufmann ins Haus. Über 400 000 Euro hatte damals der Kirchenkreis schon einmal zugeschossen.

Bis Ende des Monats soll der Berater nun einen Sanierungsplan erarbeiten. Und er ist zuversichtlich, den kirchlichen Bildungsdienstleister wieder auf Kurs zu bringen.

Auch deutet sich an, wo das Problem liegt: Binnen weniger Monate sind der GABS offenbar die Personalkosten um die Ohren geflogen, stieg ihre Quote an den Gesamtausgaben von 75 auf 85 Prozent (der Berater: "Das ist schädlich."). Da taten sich offenbar Finanzierungslücken auf, fehlten Anschluss-Qualifizierungsmaßnamen, brachen Aufträge weg, doch die Personalkosten blieben. Zudem stellt sich Aufsichtsrat Dohm die Frage, ob man mit der Ausbreitung auf so viel Städte und Standorte "gut beraten" sei.

Derweil rumort es bei den Mitarbeitern. Auch im WAZ-Forum DerWesten diskutiert man heftig, ist von Kommunikationsproblemen auf den Chef-Fluren die Rede. In einer Stellungnahme vermissen Beschäftigte zudem "geistlichen" Beistand der Kirchenkreise. Sie müssten notfalls Mittel zuschießen.